Über Nazisymbole bei der Polizei gibt sich NRW-Innenminister Herbert Reul geschockt. Dabei bedient er selbst das Klischee des „kriminellen Migranten“. Im Skandal um rechtsextreme Polizistinnen fährt Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul gerade sein typisches Krisenbewältigungsprogramm ab: Hakenkreuze, Hitler-Bilder, Darstellungen eines Geflüchteten in einer Gaskammer werden in Chats von mindestens 29 Beamtinnen der zur Polizeidirektion Essen gehörenden Wache in Mülheim an der Ruhr gefunden. Reul zeigt sich prompt geschockt, entsetzt, spart nicht an starken Worten (…) Weil NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vielen in der CDU als zu liberal gilt, soll der Politprofi Reul, als ehemaliger Landtagsabgeordneter, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen Christdemokraten und Europaparlamentarier seit 35 Jahren im Geschäft, die rechte Flanke seiner Partei gegen die AfD abdecken. Im Kampf um den von Braunkohlebaggern bedrohten Hambacher Wald machte Reul unter den Besetzern deshalb „Chaoten und Gewaltbereite aus ganz Europa“ aus. Im Herbst 2018 ließ der Konservative, der mit seiner Frau Gundula drei erwachsene Töchter hat, die Baumhäuser der Klimaschützer*innen durch tausende Polizisten mit Gewalt für den Braunkohlekonzern RWE räumen – heute rühmt sich sein Chef Laschet, den Hambacher Wald „gerettet“ zu haben. Keine Rücksicht nimmt Reul auch in der Integrationspolitik. Der Hardliner hat das Copyright auf den Begriff „Clankriminalität“, den er in die politische Debatte gebracht hat. Gegen „Clans“ von Migrant*innen, die das Gewaltmonopol des Staates infrage stellten, gehe er als Erster offen vor, wirbt Nordrhein-Westfalens Innenminister für sich – und stärkt so unausgesprochen das Bild des „kriminellen Ausländers“. Denn Reul irritiert immer wieder mit pauschalisierenden, ganze Bevölkerungsgruppen diskriminierenden Sprüchen: „Wenn wir die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angucken, dann haben wir Kriminalitätsprobleme bei der dritten Generation“, erklärte er noch am 15. September im ZDF in der Talkshow von Markus Lanz – einen Tag vor Aufdeckung des Skandals um die rechtsextremen Beamt*innen der Polizeidirektion Essen. Dabei hätte Reul gewarnt sein können: Seit Jahren weisen antirassistische Initiativen wie das „Bündnis Essen stellt sich quer“ (Essq) darauf hin, dass Teile der dortigen Polizei ganz offensichtlich mit rechtsradikalen Bürgerwehren wie den „Steeler Jungs“ sympathisieren. Mehrfach gab es Vorwürfe, Essener Polizistinnen seien mit exzessiver Gewalt gegen Migrantinnen vorgegangen. Essq-Sprecher kritisierten schon im März, Reuls Strategie der „1.000 Nadelstiche“, die sich in erster Linie gegen Migrat*innen-Treffpunkte wie Shisha-Bars richte, führe nicht nur in Essen zu „institutionellem Rassismus“ und „Racial Profiling“. Essens Polizeipräsident Frank Richter, der acht Jahre lang nichts von den rechtsradikalen Chats seiner Beamt*innen mitbekommen haben will, reagierte prompt – mit einer Beleidigungsklage gegen die Initiative.
via taz: Rechtsextremismus bei der Polizei: Von allem nichts gewusst