Die Historikerin Daniela Rüther spricht über den Kampf der AfD gegen ihr Feindbild Gender. Es geht um Babywindeln und NS-Bevölkerungspolitik. taz: Frau Rüther, Sie nennen die AfD sexbesessen. Warum? Daniela Rüther: Wenn man betrachtet, welche Themen die AfD im Bundestag wie auch in den Landesparlamenten regelmäßig auf die Agenda bringt, dann bekommt man unweigerlich den Eindruck, dass sie sexbesessen ist. Ganz häufig geht es um Geburtenzahlen, um Sexualaufklärung, Homosexualität – und um alles rund um Gender: Genderstudies, geschlechtersensible Sprache und so fort. Die Rechte ist im „Genderwahn“. taz: Sie haben analysiert, wie die AfD im Bundestag auftritt und festgestellt, dass die Partei dilettantisch agiert: fehlerhafte Anträge, inhaltsleere Anfragen. Woran liegt das – schlechtes Personal? Rüther: Der Grund ist eher, dass die AfD gar nicht vorhat, wie eine Oppositionspartei zu agieren, also zur Kontrolle der Regierung beizutragen oder an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken. Sie nutzt das Parlament als Propagandabühne und versucht, Institutionen der freien Gesellschaft und der liberalen Demokratie zu destabilisieren. (…) taz: Warum dieses Feindbild – ist nicht die Migration Kern rechter Ideologien? Rüther: Migrationsfeindlichkeit und Sexbesessenheit gehen Hand in Hand: Die AfD verfolgt eine klassisch pronatalistische Politik, sie will, dass die Deutschen mehr Kinder bekommen. Das ist ein typisches Muster völkischer Bewegungen. Ob in der historischen NSDAP oder heute bei Orbán, Putin oder Meloni: Themen von Geschlechtlichkeit und Sexualität stehen im Mittelpunkt der Politik. Mutterschaft, hierarchische Zweigeschlechtlichkeit und patriarchale Familienstrukturen bilden den ideologischen Kern, immer verbunden auch mit rassistischen Vorstellungen von der Reinheit des Volkes, die den Ausschluss von Menschen legitimiert.
via taz: Historikerin über Genderwahn der AfD „Die AfD ist sexbesessen“