Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus

Das 1996 im Verlag Deuticke in Wien erschienene, vom extern Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) herausgegebene Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus kann als Pendant zum “Handbuch Deutscher Rechtsextremismus” (siehe intern Rezension) von ElefantenPress gesehen werden und ist eine aktualisierte und erweiterte Neuauflage sowie Fortschreibung des seit 1979 ertsmals erschienenen Buches: „Rechtsextremismus in Österreich”.
Dieses wurde mit den wachsenden Erfolgen des SS-Sympathisanten und Großdeutschland-Trommlers Jörg Haider überarbeitet und erschien erstmals 1993 als Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Eine der Konsequenzen der darauffolgenden rechtlichen Auseinandersetzung mit dem FPÖ-Führer Haider ist der Einband, den heurer kein Bild vom “Jörgerl” mehr ziert. Unberührt von dieser rein optischen Änderung blieb der Inhalt: dort werden dem/der LeserIn z.B. ab S.357 fast 140 Seiten über die Entwicklung der FPÖ „vom Liberalismus zum Rechtsextremismus” geboten, die eindeutig mehr Relevanz besitzen als ein Bild auf dem Einband.

Der erste Eindruck des Buches ist allerdings erschlagend – es gilt, sich mit 720 größtenteils engbedruckten Seiten (Text fast ohne Rand) auseinandersetzen – hier wurde augenscheinlich Kostenreduktion (Seiteneinsparung) auf Kosten der besseren Lesbarkeit betrieben. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn am Ende auf fast 20 Seiten das Organisationsregister des Buches einspaltig angefügt ist, was nach der Lektüre der vorherigen Seiten wie eine unsinnige Platzverschwendung wirkt. Ebenso begrüßenswert und nützlich für die antifaschistische Arbeit ist das 30 Seiten starke Organisationsregister und eine fast 20 Seiten starke Auswahlbibliographie, die das Organisationsregister ergänzt und das Buch auch zu einem praktischen Nachschlagewerk macht. Wer sich hier mit den optischen Widrigkeiten abgefunden hat, bekommt für einen – gemessen am Umfang nicht schlechten Preis – ein Vademecum zur Hand, das einen fundierten Überblick gibt über die Neofaschisten Österreichs und Querverbindungen nach Deutschland bietet. Wichtig erscheint uns dies nicht nur, weil Österreich ein Land ist, das für viele (nicht nur) rechts der Union kerndeutsch ist, das dort als Ostmark bezeichnet wird und das nicht für die meisten Faschos auf beiden Seiten der Grenze nichts weiter als ein Wurmfortsatz Deutschlands ist. Wer’s nicht glaubt, sollte z.B. bei der Deutschen Burschenschaft nachfragen…

Schon das Einstiegskapitel (Rechtsextremismus – Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze) ist m.W. eine der besten Darstellungen des derzeitigen Forschungsstandes und eine Zusammenfassung, wie sie zahlreiche andere Bücher über Neofaschismus vermissen lassen. Im weiteren gehen die AutorInnen auf Vereine, Parteien, Vorfeldorganisationen und Publikationen ein, wobei fast 20 Organisationen ohne weitere Aktivitäten namentlich erwähnt werden, um dann den/die LeserIn auf die entsprechenden Stellen im alten Buch: „Rechtsextremismus in Österreich” zu verweisen, das nicht mehr im Handel ist, eine etwas unglückliche Lösung, die einer Nichterwähnung gleichkommt. Hier wäre eine Kurzcharakteristik vorzuziehen gewesen. Weitere Kapitel handeln z.B. von Burschenschaften, der neofaschistischen Publikation: „Aula”, dem Briefbombenterror, internationalen Verbindungen des österreichischen Neofaschismus, Revisionismus etc. Interessant auch für Menschen außerhalb Österreichs sind die beiden letzte Kapitel, die das österreichische Strafrecht wiedergeben und Möglichkeiten der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus inklusive dem Muster einer Anzeige aufzeigen.

Wer sich mit dem deutschen Neofaschismus auseinandersetzt, muß sich zwangsläufig auch mit österreichischen Neofaschisten auseinandersetzen. Dies zu verkennen wäre blauäugig. Ein Buch, das diese Verbindungen aufzeigt und die österreichischen Neofaschisten in ihren zusammenhängen zeigt, ist deshalb ein nötiges Buch; das Handbuch des DÖW ist deshalb ein wichtiges Buch und ist sein Geld wert.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe; Wien (Deuticke) 1996; 720 Seiten (Paperback)

Inhaltsverzeichnis

  • Einleitung
  • Rechtsextremismus – Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze
  • Abriß der Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich
  • Rechtsextreme Vereine, Parteien, Zeitschriften, informelle/illegale Gruppen
  • Vorfeld- und Umfeldorganisationen
  • Exkurse: Österreichische Burschenschaften als akademische Vorfeldorganisationen des Rechtsextremismus
  • Exkurse: Die Aula
  • Exkurse: Friedrich Ludwig Jahn und der ÖTB. Zum ideologischen Gehalt des “Jahnschen Turnens”
  • Exkurse: Kameradschaftsbünde als Männerbünde. Ein Versuch in 10 Thesen
  • Rechtsextreme Funktionäre, Aktivisten und Ideologen
  • Die FPÖ: Vom Liberalismus zum Rechtsextremismus
  • “10 Briefe für 10 Jahre”. Von der VAPO zum Briefbombenterror
  • Internationale Verbindungen und Zusammenhänge
  • Der “Revisionismus” – pseudowissenschaftliche Propaganda
  • Verzeichnis “revisionistischer” Autoren und deren Publikationen
  • Die Großparteien und der Rechtsextremismus
  • Jugendliche und Rechtsextremismus. Ursachenforschung und Erklärungsansätze. Ein Forschungsbericht
  • Neonazistische und rechtsextreme Computerspiele in Österreich
  • “Neonazismus ohne Neonazis?” Inszenierte NS-Apologetik in der “Neuen Kronen Zeitung”
  • Positionen und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Neonazismus
  • Politische und juristische Reaktionen auf das Rechtsextremismus-Handbuch
  • Anhang: Rechtliche Möglichkeiten gegen neonazistische Aktivitäten / Muster einer Anzeige / Gesetzestexte / Auswahlbibliographie / Personenregister / Organisationsregister

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