Der Verfassungsschutz warnt in einer Analyse, wie vielfältig Rechtsextreme das Internet für sich nutzen. Vor allem Telegram bereitet ihnen Sorge. Die Warnung ist deutlich. Rechtsextremisten würden inzwischen alle Kanäle im Internet nutzen – um für sich zu werben, sich zu vernetzen oder sich bis hin zu Terrortaten aufzuputschen. So notiert es das Bundesamt für Verfassungsschutz. Und vor allem der Messengerdienst Telegram macht dem Geheimdienst Sorgen: Dieser sei inzwischen „die zentrale Kommunikationsplattform des rechtsextremistischen Spektrums in Deutschland“ – fast ohne dass die Betreiber hier einschreiten würden. Die Warnung geht aus einer aktuellen Analyse des Bundesamts hervor, die der taz vorliegt. Auf gut 50 Seiten wird darin ausgeführt, in welcher Breite Rechtsextremisten inzwischen im Internet ihre Botschaften verbreiten: auf Onlineportalen, Messengerdiensten, Gamingplattformen oder Imageboards, mit Trollaktionen oder in Onlinegames. Das Internet eröffne „Rechtsextremisten immer neue Möglichkeiten zu dessen Instrumentalisierung“, warnt der Verfassungsschutz. Agitation und Radikalisierung fänden dabei „schon lange nicht mehr“ in klassischen Onlineforen statt. Und das Internet sei der zentrale Raum für rechtsextremistische Radikalisierung. Allen voran Telegram sehen die Verfassungsschützer dabei als Problem. Für Rechtsextreme sei der Messengedienst ein „nahezu unmoderierter und unregulierter digitaler Wirkungsraum“, heißt es in der Analyse. Telegram habe sich zur „Anker- und Sammelstelle verschiedener rechtsextremistischer Szenen entwickelt“, mit Großgruppen bis zu 200.000 Follower*innen oder klandestinen, geschlossenen Kleingruppen. Hier werde Ideologie „ungefiltert verbreitet“, für rechtsextreme Veranstaltungen mobilisiert und für die Szene rekrutiert. Selbst konkrete Tötungsabsichten blieben oftmals unwidersprochen oder fänden gar Zustimmung. Es finde ein starker „Echokammereffekt“ statt, eine Dynamik der permanenten Selbstbestätigung, die wiederum Radikalisierung befeuere. Gerade weil es nur selten zu Accountsperren oder anderweitigen Reglementierungen komme, sei Telegram in der Szene sehr beliebt. Camouflage mit Lifestyle-Themen oder Fashwave Aber auch andere Onlinephänomene besorgen den Verfassungsschutz. So nutzten Rechtsextreme ebenso Tiktok, Instagram, X oder Facebook, dort vor allem, um von den großen Reichweiten zu profitieren, um „in die Mitte der Gesellschaft zu streuen“. Das wiederkehrende Schema: Auf komplexe Fragen werden einfache Antworten geboten. Und gerade auf Tiktok oder Instagram würden Ideologie mit Lifestyle-Themen wie Ernährung, Sport oder Natur verknüpft und so Jugendliche erreicht, eine besonders vulnerable Zielgruppe, so der Verfassungsschutz. Komme es doch zu Accountsperrungen, weiche die Szene teils auf kleinere Plattformen wie Gettr und Minds aus, wo uneingeschränkte Meinungsfreiheit versprochen werde, deren Reichweite aber weit begrenzter sei. Oder auf Videoportale wie BitChute, frei3 oder Odysee. Beliebt in der Szene seien weiterhin auch die registrierungsfreien Imageboards wie 4chan, Kohlchan oder 8kun, notiert das Bundesamt. Und hier agiere die Szene besonders unverhohlen: Gewalt und Rechtsterror würden beschworen, Attentäter gefeiert, der Nationalsozialismus werde verherrlicht. International komme es auf den Boards immer wieder zu Anschlagsankündigungen.
via taz: Neonazis im Internet :Rechtsextremer Problemfall Telegram