Die Ideologie der Gruppe um Heinrich Reuß setzte sich nicht nur aus “Reichsbürger”-Ansichten zusammen. Manche Anhänger glaubten offenbar an wahnhafte Verschwörungserzählungen. Innerhalb der mutmaßlich terroristischen “Reichsbürger”-Vereinigung rund um Heinrich Reuß kursierten Erzählungen von “Echsenmenschen”, einer finsteren “Elite” und angeblichem systematischen Kindesmissbrauch. Diese Verschwörungserzählungen knüpfen an die “QAnon”-Ideologie an. Mehrere mutmaßliche Führungspersonen der Gruppe glaubten offenbar an diese Theorien, wie der Gast eines Treffens dem NDR-Magazin Panorama 3 schildert. Eingeladen war auch Björn Lars Oberndorf, ein ehemaliger Polizist und Vorsitzender des Vereins “Polizisten für Aufklärung”, der in der Corona-Zeit gegründet worden war und den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kritisch gegenübersteht. Ihn hatte Michael Fritsch eingeladen. Der Polizeibeamte Fritsch wurde im August 2020 vom Dienst suspendiert, weil er sich bei Corona-Protesten staatsfeindlich geäußert hatte. Die Ermittler stellen das Treffen in Bochum in eine Reihe von weiteren “Rekrutierungsveranstaltungen” der Gruppe.Bei dem Gespräch in dem Bochumer Café sei es etwa um “Reptiloiden” – also Echsenmenschen – gegangen, erzählt Oberndorf im Interview mit Panorama 3. “Obskure Theorien”, wie er befand. In unterirdischen Militäranlagen würden Kinder gefoltert, hätten Teilnehmer damals gesagt. Er sei von diesen Theorien erschrocken gewesen, schildert Oberndorf.Bei seinem ehemaligen Mitstreiter Fritsch habe er aber bereits vorher festgestellt, dass dieser sich mit “bestimmten Themen intensiver beschäftigt” habe. “Das sieht man auch an bestimmten Meldungen, die er mir zugeschickt hat über Telegram”, so der Ex-Polizist. Da sei es oft um rituelle Gewalt an Kindern gegangen oder um “satanistische Gewalt”.Zumindest in Teilen der Vereinigung war offenbar der Glaube an unterirdische Militäranlagen verbreitet, in denen es zu organisierter Kindesmisshandlung durch staatliche Stellen komme. Das stellten auch die Ermittler fest, als sie Telefone abhörten und Datenträger der Gruppenmitglieder auswerteten. In einem Tunnelsystem dieser “Deep Underground Military Bases”, kurz DUMBs, würden die “Reptiloiden” Kinder quälen und ermorden – so die obskure Theorie.Namenslisten von angeblich SchuldigenHinter diesem angeblichen systematischen Kindesmissbrauch würden Politiker und andere Teile der “Eliten” stehen. Bei einem mutmaßlichen Führungsmitglied der Gruppe fanden die Ermittler eine Liste mit Namen von Beschäftigten des schweizerischen Gesundheitssystems und dortigen Ärzten sowie eine Liste deutscher Politiker und Medienvertreter. Bei einzelnen Namen waren handschriftliche Hinweise notiert: Eine Person hätte demnach angeblich in den Tunneln gefoltert und getötet, eine andere hätte Babys dorthin gebracht. Hinter diesen Theorien steht die Verschwörungserzählung “QAnon”, die um 2017 in den USA entstanden war. Kernelemente dieser “QAnon”-Ideologie sind der Glaube an einen “tiefen Staat” (englisch “deep state”) – also finstere Mächte, die hinter Repräsentanten der Staaten stünden – und eine Legende von Ritualmorden an Kindern. Während der Corona-Pandemie verbreiteten sich “QAnon”-Erzählungen auch in Deutschland rasant, sagt der Politikwissenschaftler Joschua Helmer vom Göttinger Institut für Demokratieforschung.

via tagesschau: Mutmaßliche “Reichsbürger”-Terroristen Die Wahnwelt der Verschwörer