Dass tausende Firmen unsere Daten für Online-Werbung sammeln, ist bekannt. Eine Recherche zeigt nun, dass auch Staatstrojaner-Hersteller das Werbesystem nutzen, um Zielpersonen zu tracken und zu hacken. Ob Deutschland über derartige Software verfügt, will die Bundesregierung nicht verraten. Die Hersteller für staatliche Überwachungstechnologien setzen offenbar zunehmend auf das Online-Werbesystem, um Zielpersonen auszuspionieren und ihre Geräte mit Schadsoftware zu infizieren. Das berichtet die israelische Zeitung Haaretz in einer Recherche [Paywall] über neue Entwicklungen in Israels Staatstrojaner-Industrie. Spätestens seit den Snowden-Enthüllungen ist klar, dass es Schnittmengen zwischen dem Überwachungskapitalismus und staatlicher Überwachung gibt. Der umfangreiche Bericht der Haaretz bestätigt nun Befürchtungen, dass das außer Kontrolle geratene Datenhandelssystem des Targeted Advertising nicht nur für Werbezwecke genutzt wird, sondern auch von klassischen Spionagefirmen. Die Werbeindustrie kann offenbar nicht verhindern, dass über ihre Infrastrukturen Schadsoftware verteilt wird, die hinter Anzeigen getarnt ist. „Sherlock“ heißt laut Haaretz zum Beispiel ein Produkt der Firma Insanet. Es soll in der Lage sein, sowohl Android- und iOS-Smartphones als auch Windows-Computer mit einem Trojaner zu infiltrieren. Das Perfide: Die Schadsoftware soll mit Werbeanzeigen in Apps oder auf Websites aufgeliefert werden, ohne dass die Betroffenen es merken oder sich wehren können. Der Werbe-Trojaner ist dem Bericht zufolge lediglich die Speerspitze einer größeren Entwicklung auf dem israelischen Markt für Spähsoftware. In Anlehnung an den Begriff AdTech, kurz für Advertising Technologies, wird die Sparte AdInt genannt, kurz für Advertising Intelligence. (…) Laut Haaretz setzen Überwachungsfirmen bereits seit einigen Jahren auf die Infrastrukturen der Online-Werbeindustrie, um Personen ausfindig zu machen und ihre Bewegungen zu verfolgen. Sie machen sich dabei die allgegenwärtige Datensammlung des riesigen Netzwerks aus tausenden Werbefirmen und das Geschäft von kommerziellen Datenhändlern zunutze. Wann immer Menschen Websites besuchen oder Apps nutzen und dem Werbetracking zustimmen, werden ihre Daten an zahllose Firmen gesendet. Diese sortieren sie anhand ihrer Eigenschaften und Interessen in Zielgruppenkategorien, sogenannte Segmente. Erst kürzlich hatte eine Recherche unseres Mediums aufgedeckt, dass allein auf einem einzigen Datenmarktplatz mehr als 650.000 dieser Zielgruppensegmente gehandelt wurden: von Einkaufsverhalten und Ortsbesuchen über psychologische Label wie „Fragile Senioren“ bis zu Gesundheitskategorien.
via netzpolitik: Advertising Intelligence: Staatstrojaner per Online-Werbung
siehe auch: Revealed: Israeli Cyber Firms Have Developed an ‘Insane’ New Spyware Tool. No Defense Exists. A Haaretz investigation reveals that Israeli cyber companies developed technology that exploits the advertising system at the heart of the online economy to monitor civilians, hack into their phones and computers, and spy on them. This terrifying capability, against which no defense currently exists, has already been sold to a nondemocratic country