Seit 1997 versammeln sich jährlich tausende Neonazis am 11. Februar in der ungarischen Haupstadt zum sogenannten „Tag der Ehre“, der an den Ausbruchsversuch der belagerten Nazi-Truppen im Jahr 1945 erinnert. Im Kessel der Roten Armee versuchten damals siebzigtausend deutsche SS- und Wehrmachtssoldaten sowie ungarische Kollaborateure mit einem letzten Kampf aus der Stadt auszubrechen, wobei nur wenige Hundert überlebten. Kurz darauf wurde Budapest von der Roten Armee befreit. Die Veranstaltung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der symbolträchtigsten Ereignissen der ungarischen und europäischen Neonazi-Szene entwickelt. Ihr Initiator war István Győrkös, Gründer der paramilitärischen Magyar Nemzeti Arcvonal (Ungarische Nationale Front), der 2019 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, weil er einem Polizisten in den Kopf geschossen hatte. Seit einigen Jahren wird die Veranstaltung von Legio Hungaria, einer 2018 gegründeten neonazistischen Gruppe organisiert. Trotz ihrer kurzen Geschichte hat die Gruppe bereits international für Schlagzeilen gesorgt. Im Oktober 2018, nach einem Marsch zum Gedenken an den anti-sowjetischen Aufstand von 1956, verwüsteten ihre Mitglieder ein jüdisches Gemeindezentrum in Budapest. Mitorganisatoren der Veranstaltung sind außerdem die Hammerskins Ungarn, der nationalistische Verband Jugendbewegung der 64 Grafschaften und die Skinheadgruppe Skins4Skins Ungarn. (…) Was mit einer „Gedenkveranstaltung“ begann, entwickelte sich mit den Jahren zu einer Veranstaltungsreihe, die sich auf drei Events aufteilt. Am Abend nach dem „Gedenken“ gibt es jährlich das Angebot eines größeres Rechtsrockkonzerts, mit mehreren bekannten internationalen Rechtsrockbands. Dieses Jahr wurde im Vorhinein zusätzlich noch eine „Welcome Party“ organisiert, ebenfalls mit Konzertprogramm. Am Tag nach der Gedenkveranstaltung findet die breit beworbene „Ausbruch 60“-Tour statt, welche aufgrund verschiedener neonazistischer und neofaschistischer Gruppen, die sich in ungarische Naturschutzkreise eingeschlichen haben, zu einem völlig akzeptierten Event geworden ist. Die Wanderung folgt der fast 60 Kilometer langen Route des Ausbruchsversuchs bis zu einem Dorf nordwestlich der Stadt. In den letzten Jahren ist die Teilnehmerzahl von einigen Hundert auf über 2.500 Teilnehmer gestiegen. Kernelement dieser nächtlichen Wanderungen sind die historischen Uniformen, Waffenatrappen und SS-Symboliken, die offen getragen und zur Schau gestellt werden. Die Teilnehmer erhalten zu Beginn Laufzettel, die sie an 13 Kontrollpunkten entlang führen, an denen von „Kontrolleuren in zeitgenössischen Uniformen“ Stempel mit faschistischen Symbolen abgeholt werden. Wer die Route in der vorgegebenen Zeit schafft, erhält eine Urkunde. Für die Bewältigung der Gesamtstrecke gibt es sogar eine Replik des Eisernen Kreuzes, inklusive Hakenkreuz. Da die Wanderung sich der Hintertür eines historischen Reenactments bedient, drohte bislang nie die Gefahr eines Verbotes. Vernetzung Ein gutes Beispiel für die Vernetzung im Rahmen der Veranstaltung sind die gemeinsamen Treffen zwischen Legio Hungaria-Gründer Ince Béla, Kampf der Niebelungen-Organisator Alexander Deptolla und Tamasz Szkatulski, Kopf von Pride France. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die „European Fight Night“, ein neonazistisches internationales Kampfsportevent, das dieses Jahr im Mai erstmalig in Budapest stattfand. Jedes Jahr nimmt eine Vielzahl an Organisationen und Gruppierungen aus u.a. Italien, Frankreich, Bulgarien, Polen, Koatien, Tschechien und Deutschland an den Veranstaltungen teil. Darunter befinden sich z.B Combat 18, Hammerskins und verschiedene Ableger von Blood and Honour. Aus Deutschland haben sich in den letzten Jahren u.a. Mitglieder der Parteien „Der Dritte Weg“, NPD und „Die Rechte“ sowie auch Funktionäre der Identitären Bewegung beteiligt.
via basc: „Tag der Ehre“ in Budapest – Geschichtsrevisionismus, NS-Glorifizierung und internationale Vernetzung