Ex-Soldat Tim F. habe einen rechtsterroristischen Anschlag vorbereitet, Vater und Bruder hätten geholfen. Sie wurden verurteilt, aber ihr Netzwerk bleibt im Dunkeln. Flak-Geschosse, Minenzünder, Pistolen, Gewehre, TNT in Tic-Tac-Dosen – fast eine halbe Stunde braucht Richter Jochen Kirschbaum, Vorsitzender der 27. Großen Strafkammer am Landgericht Frankfurt, um all die Schusswaffen und Sprengstoffe aufzuzählen, die bei den Angeklagten gefunden worden waren. Aber nicht nur die enorme Menge an gefährlichen Gegenständen macht diesen Prozess so besonders. Angeklagt war eine ganze Familie: Tim F., 23 Jahre alt, ehemaliger Soldat der Bundeswehr, sein ein Jahr jüngerer Bruder und der Vater der beiden. Zu dritt haben sie all die Waffen nicht nur über Jahre gesammelt, Tim F. soll auch geplant haben, damit rechtsterroristische Anschläge zu verüben. Doch der Nachweis dieser Pläne war mühsam. Er hat mehr als 40 Verhandlungstage gedauert. Gleich mehrere rechtsextreme Netzwerke seien dabei im Prozess zutage getreten, sagt der Richter. Netzwerke, die bei den ursprünglichen Ermittlungen der Polizei nicht erkannt worden seien. Erst durch von der Kammer beauftragte Nachermittlungen seien sie “einigermaßen sichtbar” geworden. Doch trotz dieser Nachermittlungen bleiben Verbindungen der Familie in die rechte Szene weiter im Dunkeln. Das Gericht ist aber überzeugt, zumindest das Kerngeschehen aufgehellt zu haben: Tim F. habe “unter Eindruck des Corona-Lockdowns” Anfang 2020 die Chance gesehen, die “aus seiner Sicht degenerierte Gesellschaft” der Bundesrepublik mit einem bewaffnenden Anschlag zu destabilisieren. Dafür habe er eine an einem Freikorps orientierte paramilitärische Gruppe aufbauen wollen, sagt der Richter in der Urteilsbegründung. Chatnachrichten hätten gezeigt, wie er über einen rechtsradikalen Bundeswehrkameraden an einen vorbestraften hessischen Neonazi gelangte, der Kontakte bis in den Landesvorstand der früheren NPD hatte. Beim Richter bleibt ein “mulmiges Gefühl” Hinter dem Neonaziaktivisten steckten weitere Strukturen, ist Richter Kirschbaum überzeugt. Sie seien aber “im Verfahren unbekannt geblieben”. Wie weit Tim F. von seinem Ziel entfernt war, ein Attentat zu verüben, habe sich ebenfalls nicht feststellen lassen. Es hinterlasse zudem ein “leicht mulmiges Gefühl”, dass möglicherweise nicht alle Waffenverstecke gefunden wurden. Doch nicht nur das hinterlässt einen unangenehmen Eindruck. Die Waffensammlung, die wirren Verschwörungsmythen der drei waren in ihrem Umfeld im kleinen Ort Glashütten-Schloßborn wohl kein Geheimnis. Während des Prozesses kamen auch Nachbarn der Familie zu Wort. Eine Nachbarin berichtete, dass Hakenkreuzschmierereien in Schloßborn von Anwohnern heruntergespielt worden seien. Ein anderer sagte, es herrsche schon ein “gewisses Klima” im Ort. Polizeimeldungen ist zu entnehmen, dass zuletzt wieder rechte Symbole geschmiert worden sind. Und im Mai tauchte in einem Teich eine Kiste mit 1.000 Schuss Munition und drei passenden Sturmgewehrmagazinen auf. Selbst anonyme Tipps an die Polizei gab es. Doch lange handelte niemand. “Polizeiliche Reaktionen auf diesen Hinweis sind im vorliegenden Verfahren jedenfalls nicht bekannt geworden”, sagte der Richter. Tim F. fiel auch bei der Bundeswehr nicht auf, obwohl er dort zahlreiche Kontakte in die rechte Szene knüpfte. (…) Die Ermittler fanden nicht nur Waffen, Sprengstoff und Munition, sondern auch eine Art rassistisches Manifest, das Tim F. schon mit 16 Jahren verfasst haben soll. Darin will er einen “Krieg gegen den Bürgerkrieg der Juden” führen, Deutschland erobern und eine große nationalsozialistische Kampforganisation gründen. Kartenausschnitte zu einer “Operation Fuchsbau” zeigen das Berliner Regierungsviertel samt militärtaktischer Symbole. Zwar hätten sich seine Anschlagsfantasien über die Jahre zunehmend “verkleinert”, sagt der Richter. Sie seien dank der militärischen Ausbildung bei der Bundeswehr aber auch zunehmend “professioneller” geworden.
via zeit: Rechtsterrorismus : Waffen, Sprengstoff, Größenwahn