Verurteilungen sind selten, die Verfahren nutzen die Sicherheitsbehörden zum schnüffeln. Die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin glaubt schon länger, dass die Klimaaktivistinnen der Letzten Generation eine kriminelle Vereinigung sind. Schon im vergangenen Dezember ließ sie elf Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe durchsuchen. Am vergangenen Wochenende stimmte dann auch Berlins parteilose Justizsenatorin Felor Badenberg in den Chor derjenigen ein, die eine härtere Verfolgung der Klimagruppe fordern. Badenberg erklärte, dass sie ihre Strafrechtsabteilung prüfen lasse, ob es sich bei der Letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung handelt. Für eine solche Vereinigung hält die Münchener Generalstaatsanwaltschaft die Letzte Generation und ließ am Mittwoch 15 Wohnungen durchsuchen, Konten sperren und die Internetseite der Klimaaktivistinnen abschalten. Letzteres gelang genau wie das Abschneiden von Spendenmöglichkeiten nur für kurze Zeit. In der Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft München zu den Durchsuchungen heißt es, aufgrund »zahlreicher Strafanzeigen aus der Bevölkerung, die seit Mitte des Jahres 2022 eingingen« habe man ein Ermittlungsverfahren gegen sieben Personen eröffnet. Die Beschuldigten sind zwischen 22 und 38 Jahren alt. Als kriminelle Vereinigung sollen sie »eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert« haben. Zwei Beschuldigten wird außerdem vorgeworfen, versucht zu haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren. Eine interessante Parallele zum Verfahren der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Das Ziel der Durchsuchungen durch die Münchener Generalstaatsanwaltschaft in gleich sieben Bundesländern war »das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur der Letzten Generation, die weitere Aufklärung ihrer Finanzierung sowie die Beschlagnahme von Vermögenswerten«. Verfahren nach dem Paragrafen 129 des Strafgesetzbuchs sind für die politische Linke nichts Neues. Immer wieder wurden politische Gruppen mit dem Vorwurf konfrontiert und dadurch Ziel von Hausdurchsuchungen und Überwachungsmaßnahmen. Verurteilungen gab es jedoch nur selten. Der Paragraph 129 gilt als »Schnüffelparagraf«. Nur etwa fünf Prozent der Ermittlungsverfahren führen zu Verurteilungen. Einer dieser Fälle könnte der Prozess gegen Lina E. und Co. in Dresden sein. Den Antifaschistinnen wird ebenfalls die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Allerdings werfen Beobachterinnen der Generalbundesanwaltschaft vor, nur eine löchrige Argumentation dafür anbringen zu können. Besonders absurd wirkt der Vorwurf gegen die Letzte Generation bei einem Blick in den Gesetzestext. Da heißt es, »Zweck oder Tätigkeit« der Vereinigung müssten »auf die Begehung von Straftaten gerichtet« sein. Dass der Zweck der Letzten Generation die Begehung von Straftaten ist, kann ausgeschlossen werden. Der Zweck der Gruppe ist vielmehr, mehr Maßnahmen für den Klimaschutz zu erreichen. Sie fordert ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket, ein Tempolimit oder die Einführung eines Gesellschaftsrats.

via neues deutschland: »Was für eine kriminelle Vereinigung soll das sein?«

siehe auch: Peinlicher Fehler bei Razzia: Polizei stuft Letzte Generation vorschnell als „kriminell“ ein Am Mittwoch fanden Durchsuchungen in sieben Bundesländern statt. Ein Twitter-Post der Polizei sorgte für Verwirrung. Sie bezeichnete die Letzte Generation fälschlich als „kriminelle Vereinigung“. (…) Der Tatvorwurf lautet: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Mitarbeiter der Pressestelle des bayrischen Landeskriminalamtes und der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft hatten aber offenbar nicht verstanden, dass es sich dabei um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt. Mit einem Post auf Twitter sorgten sie nicht nur bei den Klimaaktivisten für Empörung. Auch viele andere Nutzer waren verwundert, dass sie die Gruppe bereits als „kriminelle Vereinigung“ einstuften. Letzte Generation will juristisch gegen die Behörden vorgehen In dem Twitter-Post der Polizei hieß es: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB dar. (Achtung: Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar!)“. Der peinliche Fehler wurde mittlerweile korrigiert. Die Letzte Generation kündigte an, trotzdem gegen das Vorgehen der bayrischen Behörden juristisch vorzugehen. Die Generalstaatsanwaltschaft München räumte ein, dass die Formulierung unzutreffend gewesen ist. Derzeit bestehe lediglich ein Anfangsverdacht, dass es sich bei der Letzten Generation um eine Kriminelle Vereinigung handeln könnte, sagte ein Behördensprecher dem NDR. Strafrechtler Mark Zöller sagte dem NDR, die Wortwahl war „absolut unzulässig“. Ob die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung im Sinne des StGB eingestuft werden könne, sei gerichtlich nicht ansatzweise geklärt. „Alles andere ist reine Vorverurteilung und mit dem für staatliche Stellen geltenden Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot unvereinbar.“, so Zöller weiter.