Die Reichsbürgerszene ist vielfältig, vor allem aber zunehmend radikal. Die Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten und Ultra-Esoteriker lehnen den Staat und seine Institutionen zwar ab, doch Stütze kassieren sie im Zweifel schon. Der bundesweite Schlag gegen eine Terror-Gruppe aus der Reichsbürgerszene offenbart einmal mehr, wie ein stetig wachsendes Gemisch aus Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten, Querdenkern bis hin zu Esoterikern entsteht. Dazu zählen auch krude Gesundheitsanbeter der neuen germanischen Medizin bis hin zu Corona-Leugnern wie Nicolay C. Der Bulgare wollte mit einem deutsch-russischen Kumpel in „den Krieg ziehen“. Gegen die „Handelsfirma BRD“, gegen die Obrigkeit, die ihn in der Hochphase der Pandemie dazu zwang, beim Einkaufen eine Maske zu tragen. Und dies ihm, der sich auf seine „Immunität aus der Autoritätsstruktur der Erde“ berief, der sich zu einer „lebenden Proklamation der Unabhängigkeit für die ewige Seele“ aufschwang. Am 9.  Mai 2020 erfolgte die Attacke in einem Supermarkt in Troisdorf. Vehement weigerte sich C. eine Maske aufzuziehen. Die Mitarbeiter in dem Kaufland-Geschäft beschimpfte er als Marionetten des Staates. Als eine Polizeistreife eintraf, prügelte er einen Beamten nieder. Die Aktion war von langer Hand geplant. Reichsbürger, Handy-Video, Telegram Ein Handy-Video lief über die einschlägigen Telegram-Kanäle und stieß bei der Reichsbürger-Community auf großen Zuspruch. Inzwischen wurde der prügelnde Reichsbürger zu 16 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Seine Anträge und die Beschwerden gegen die Ermittler endeten meist mit der Formulierung: „Mit freundlichen Grüßen, lebender Mann, Mensch und Souverän mit meinem eigenen Namen – Gründer und Benefiziar (Begünstigter) der Person Nicolay C.“ Diese Aussagen sind typisch für das abstruse Gedankengut in dem Radikalen-Milieu. (…) Besonders besorgt die Verfassungsschützer die hohe Waffenaffinität in der Szene. Häufiger kommen militante Reichsbürger in Sportschützenvereinen unter. So fanden sich bei einer Betrüger-Clique aus Dinslaken und dem Ruhrgebiet 2017 sechs Selbstschussapparate, die Schrotmunition abfeuern konnten. Steuernzahlen nicht sehr beliebt in der Reichsbürgerszene Der Besitzer, ein Waffennarr und Sportschütze, gehörte zu dem Reichsbürgerverein „für bioenergetisches Leben“. Vor Gericht musste der Tatverdächtige sich schließlich wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Betruges verantworten, weil er mit zwei weiteren Vereinsmitgliedern das Finanzamt um einen fünfstelligen Betrag betrügen wollte. Ohnehin wehren sich Reichsbürger mit allen Mitteln dagegen, ihre Steuern zu zahlen oder sonstige Abgaben an den von ihnen so verhassten Staat zu begleichen. Obschon sie den deutschen Staat ablehnten, suchte ein Reichsbürger-Trio sich über eigens gegründete soziale Organisationen Rentenzahlungen in Millionenhöhe zu erschwindeln. Am Ende blieben 13.000 Euro Schadenshöhe. Die Gaunereien begründeten die drei Angeklagten damit, dass die BRD gar nicht existiere und deshalb auch weder Steuern noch Gebühren erheben dürfe. Vor dem Hintergrund stehe jedem Bürger eine Leibrente zu. Dass alle drei sich auch durch das staatliche Jobcenter mit Hartz-IV-Mitteln alimentieren ließen, spielte im Prozess in Essen keine Rolle.

via focus: Staat ablehnen, Hartz-IV kassieren Vor Gericht offenbart sich die Scheinheiligkeit der Reichsbürger