Ein Verfassungsschutz-Bericht macht das Rechtsextremismus-Problem in den Sicherheitsbehörden sichtbar. Und der Innenminister? Wiegelt ab. Was für eine vertane Chance. Anlässlich der Vorstellung des Lageberichts zu Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden hätte der Bundesinnenminister ein Signal senden können: dass er es wirklich ernst meint mit dessen engagierter Bekämpfung. Doch was macht Horst Seehofer? Er beschwichtigt, auf dünnster Datengrundlage. Ein strukturelles Problem schließt er aus. Und betont, dass mindestens 99 Prozent der Beamt:innen auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Dass dies so ist, kann man nur hoffen. Ob es stimmt, kann aber auch der Innenminister nicht wissen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für den Lagebericht lediglich bereits bekannt gewordene Fälle zusammengetragen. Die Behörden durchleuchtet oder Beamt:innen befragt hat es nicht. Die Anzahl der registrierten Fälle aber hängt neben dem wahren Ausmaß des Problems auch vom Bewusstsein dafür in Ländern und Behörden ab -– und oft leider auch vom Zufall, wie die jüngsten Fälle in Nordrhein-Westfalen gezeigt haben. Behörden­in­tern gemeldet wurden diese nicht. Völlig zu Recht weist deshalb der Verfassungsschutz selbst auf das sogenannte Dunkelfeld hin. Das heißt: Im Lagebericht wird nur die Spitze des Eisbergs gezeigt, auch wenn jeder dieser Fälle besonders schwer wiegt. Schließlich üben die Beamt:innen das staatliche Gewaltmonopol aus und haben Zugang zu Waffen.

via taz: Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden: Seehofers Dunkelfeld

siehe auch: Hunderte rechtsextreme Verdachtsfälle in Sicherheitsbehörden. In einem ersten Lagebericht gibt es nun einen bundesweiten Überblick über rechtsextremistische Tendenzen in den Sicherheitsbehörden. Es geht um mehr als 350 Verdachtsfälle. Für Bundesinnenminister Seehofer ist „jeder erwiesene Fall eine Schande“. Die Sicherheitsbehörden der Länder haben zwischen 2017 und April 2020 insgesamt 319 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus registriert. Das geht aus dem ersten Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz über „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ hervor, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag vorgestellt hat. Zu den 319 Verdachtsfällen der Länder kommen 58 Verdachtsfälle bei den Sicherheitsbehörden der Länder. Seehofer sieht darin „kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden“ in Deutschland.