Nach jahrelangen Ermittlungen finden in Hannover gerade Prozesse gegen Anhänger der Neonazigruppe „Calenberger Bande“ statt. Bei Razzien wurden Gewaltvideos, Beweise für Tierquälerei und kilogrammweise Material zur Sprengstoffherstellung gefunden. Für versuchten Totschlag wurden drei Mitglieder zu Haftstrafen verurteilt. Es drängt sich die Frage auf, warum das Strukturermittlungsverfahren nach Paragraph 129a gegen die Gruppe eingestellt wurde. In Hannover und Umgebung gibt es eine Reihe unaufgeklärter Straftaten mit neonazistischer Handschrift. Sachbeschädigungen mit Volksverhetzung, Brandstiftung bei einer kurdischen Familie und eine Attacke auf die Haustür eines jüdischen Ehepaars. Seit mehreren Jahren vermuten Antifaschist:innen eine klandestin organisierte „Kameradschaft“ dahinter: Die sogenannte „Calenberger Bande“.  Auch die Polizei ermittelte. Durch mehrere Prozesse, die am Landgericht Hannover stattfinden, ist ein Blick in die Ermittlungen, die Struktur der „Calenberger Bande“ und die Gewaltaffinität mehrerer Mitglieder möglich. Mehr als 10.000 Seiten sollen die Akten füllen. Seit mehr als fünfzehn Jahren ist Patrick Schneider (geb. Kruse) in Niedersachsen und bundesweit in der neonazistischen Szene aktiv. Schneider gilt als Kopf der „Calenberger Bande“ und soll sich im Gruppenchat mit „Tim“ ansprechen haben lassen. Wohnhaft ist er bei seiner Ehefrau in Pattensen. Seit 2013 war er als Liedermacher („Jugendgedanken“) beim RechtsRocklabel „OPOS-Records“ aktiv. 2015 wurde er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte Parteibüros angegriffen, Stolpersteine und eine Gedenktafel für deportierte Jüdinnen und Juden beschmiert, den Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler und Mitglieder der DKP angegriffen und versucht, Geflüchtete während eines Hungerstreiks zu attackieren. (…) Patrick Schneider hat mit den Brüdern Frederik und Florian Laskowski, am Morgen des 7. Januar 2020, einem Arbeitskollegen des Onkels der beiden aufgelauert und diesen so schwer verprügelt, dass dieser später ins künstliche Koma versetzt werden musste. Die Motive dafür sind bis heute völlig unklar. Alle Angeklagten schwiegen vor Gericht.  Den Betroffenen ließen die Drei schwerst verletzt vor dessen Garage liegen und durchsuchten wohl seine Wohnung (…) Das Gerichtsverfahren gab einige spannende Einblicke zu den Ermittlungen rund um die „Calenberger Bande“. Vor Gericht sagte der ehemalige Leiter des hannoverschen Staatsschutzdezernats aus und beschrieb die Arbeit der etwa 30 bis 40 köpfigen „Ermittlungsgruppe Elhaz“. „Es ging zunächst um Volksverhetzung, Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“, erinnerte sich der Chefermittler im Zeugenstand.  Nach drei Monaten sei man über Indymedia darauf aufmerksam geworden, wer zur „Calenberger Bande“ gehören solle. Darauf folgten erstmals Durchsuchungen, bei denen zahlreiche elektronische Speichermedien konfisziert wurden. Mehrere Terabyte Daten wurde sichergestellt. Schneider wurde sein Handy in der Vorlesung in der Göttinger Universität abgenommen.  Bei der Auswertung der elektronischen Geräte stießen die Ermittler dann auf Chatverläufe, in denen es um eine nicht weiter benannte Straftat ging. Schneider schlug vor, „es am 7. durchzuziehen“, so der Chefermittler. Außerdem erinnerte er Florian Laskowski daran Kabelbinder mit zunehmen. „Fredde“ könne die mitbringen, war die Antwort. So nannte sich Frederik Laskowski in den sozialen Medien. Das Opfer war nach der Tat an Händen und Füßen gefesselt gefunden worden. Schneider habe außerdem angewiesen, Taschenlampen mitzunehmen und Handys zuhause zu lassen. Um vier Uhr, etwa zwei Stunden vor der Tat, meldete sich Schneider per Chat mit einem Herze-Moji bei seiner Frau ab. Kurz nach der Tat schrieb Schneider „Guten Morgen“. Gegen Mittag habe er dann geschrieben, er sei deprimiert und es habe einen „Totalschaden“ gegeben, beschreibt der Ermittler. Danach suchte Schneider die Meldung zur Tat auf dem polizeilichen Presseportal.

via aib: Die „Calenberger Bande“ vor Gericht


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