Die Anfrage der Union zur Finanzierung von Organisationen und Initiativen schlägt weiter hohe Wellen. In gleich zwei offenen Briefen äußern sowohl die teils betroffenen Institutionen als auch Wissenschaftler ihre Sorgen.Vergangene Woche stellte die Unionsfraktion in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung 551 kritische Fragen zu verschiedenen Nichtregierungsorganisationen – seitdem lässt die Kritik nicht nach.Nun haben mehr als 1.700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie “große Besorgnis” am Vorgehen der Unionsfraktion äußern. Die Anfrage widme sich explizit der Finanzierung und dem Gemeinnützigkeitsstatus von Organisationen aus der demokratischen Zivilgesellschaft, die sich politisch in der Öffentlichkeit engagieren. “Dabei ist im höchsten Maße beunruhigend, dass die Kleine Anfrage das Narrativ eines ‘tiefen Staates’ aufgreift”, heißt es in dem Schreiben. Damit werde suggeriert, dass der Arbeit der Organisationen ein Makel anhafte oder dass sie eine schädliche Wirkung hätten. Dabei seien sie eine “tragende Säule demokratischer Willensbildung”, so die Verfasser. (…) Die 1.767 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben dazu, der Kontext und der Zeitpunkt der Anfrage legten den Schluss nahe, dass gegen die Organisationen vor allem deshalb “der Verdacht einer unzulässigen Beeinflussung der politischen Willensbildung erhoben wird”, weil sie öffentliche Kritik gegenüber der Politik der Union geäußert hätten. In Zeiten globaler Verwerfungen und verstärktem Misstrauen gegenüber der Demokratie, in denen die demokratische Zivilgesellschaft so wichtig wie nie ist, erkennen wir einen konfrontativen Unterton in der Kleinen Anfrage und deuten dies als ein alarmierendes Signal”. Kritik auch an der Rechtsauffassung der UnionDie Unterzeichnenden kritisieren auch die Rechtsauffassung der Unionsfraktion. Es sei “verfassungsrechtlich nicht haltbar”, wenn die Union suggeriere, “dass staatlich geförderte Organisationen einer Neutralitätspflicht unterliegen, die sich aus der Neutralitätspflicht des Staates ableitet.” Die Neutralitätspflicht des Staates beziehe sich lediglich auf das Handeln der Exekutive, nicht aber auf die Meinungsäußerungen und die politische Arbeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Akteure.Zum Schluss appellieren die Forschenden an die Unionsfraktion, ein Demokratiefördergesetz einführen und verweisen dabei auf den Untersuchungsausschuss zu den rassistischen NSU-Morden, der bereits 2013 ein Demokratiefördergesetz gefordert hatte. Damals hatte auch die Unionsfraktion zugestimmt.
via tagesschau: Umstrittene Anfrage zu NGOs Wissenschaftler und Organisationen kritisieren Union
siehe auch: Offener Brief anlässlich der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen Sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrter Herr Dobrindt, sehr geehrte Abgeordnete der Fraktion der CDU/CSU im deutschen Bundestag, mit großer Besorgnis nehmen wir die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 20/15035) zur Kenntnis, die sich mit der Finanzierung und vermeintlich fehlenden politischen Neutralität zivilgesellschaftlicher Organisationen befasst. Auf über 30 Seiten und in über 500 Fragen widmet sich die Anfrage explizit der Finanzierung und dem Gemeinnützigkeitsstatus von Organisationen aus der demokratischen Zivilgesellschaft, die sich politisch in der Öffentlichkeit engagieren. Dabei ist im höchsten Maße beunruhigend, dass die Kleine Anfrage das Narrativ eines „tiefen Staates“ aufgreift. Damit wird suggeriert, dass die Arbeit der genannten zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht nur in unzulässiger Weise die politische Willensbildung in der Bundesrepublik beeinflusse, sondern dieser Arbeit auch ein grundsätzlicher Makel anhafte oder eine schädliche Wirkung zu attestieren sei. Das Gegenteil ist doch – im Anschluss an Überlegungen zur Subsidiarität – der Fall. In Zeiten globaler Verwerfungen und verstärktem Misstrauen gegenüber der Demokratie, in denen die demokratische Zivilgesellschaft so wichtig wie nie ist, erkennen wir einen konfrontativen Unterton in der Kleinen Anfrage und deuten dies als ein alarmierendes Signal. Wir richten diesen Brief deshalb an Sie im Vertrauen auf den grundlegenden Konsens, mittels des Dialogs der Eskalation entgegenzuwirken und vielmehr die Kooperation aller demokratischen Kräfte in unserem Land gegen die weitere Polarisierung und Spaltung unserer Gesellschaft zu bestärken. Der Kontext und der Zeitpunkt der Kleinen Anfrage legen den Schluss nahe, dass gegen die benannten Organisationen vor allem deshalb der Verdacht einer unzulässigen Beeinflussung der politischen Willensbildung erhoben wird, weil sie anlassbezogene, öffentliche Kritik gegenüber der Politik der CDU/CSU geäußert haben. Bedauerlicherweise entsteht durch die Formulierung der Anfrage jedoch der Eindruck, dass die staatliche Förderungswürdigkeit und Gemeinnützigkeit der aufgeführten Organisationen generell infrage gestellt werden müsse und ihr gesamtes Wirken kritisch zu bewerten sei. Dadurch wird ein negatives Licht auf zivilgesellschaftliches politisches Engagement und die gesamte nichtstaatliche Akteurslandschaft im Allgemeinen und das Prinzip der Subsidiarität geworfen.