Sächsische Neonazis haben die Paraden zum Christopher Street Day zu ihren wichtigsten Feindbildern erkoren. Vor allem junge Rechte kommen zu ihren Protesten. In der sächsischen Kleinstadt nahe Leipzig findet zum ersten Mal ein eigener Christopher Street Day (CSD) statt, ein Demonstrationsumzug, dessen Teilnehmerinnen sich für die Rechte queerer Menschen einsetzen. Doch der CSD hat Gegner. Rund 20 junge, teils vermummte Neonazis laufen dem Protestzug hinterher, bauen sich an dessen Rand auf und versuchen mehrmals, auf die Versammlungsfläche zu gelangen. Den Ton geben Kader der Jungen Nationalisten, kurz JN, an, der Jugendorganisation der rechtsextremen Partei Heimat, die früher als NPD bekannt war. Während der Abschlusskundgebung spitzt sich die bedrohliche Kulisse zu. Um den Marktplatz herum stehen mehrere Grüppchen aus dem rechten Hooliganmilieu, eine weitere Gruppe unscheinbar aussehender Jugendlicher filmt und verhöhnt ohne Unterlass die CSD-Teilnehmer. Am Ende bleibt es bei Provokationen, Bedrohungen und leichten Rangeleien, doch die Botschaft der rechten Szene ist eindeutig: Ihr seid hier nicht willkommen. Die Polizei schreibt mehrere Anzeigen wegen Nötigung, Körperverletzung und Vermummung. Ansonsten bleiben die Einsatzkräfte weitgehend passiv. Der Wurzener CSD war einer der ersten des Jahres. Bereits damals zeigte sich: Etwas gerät ins Rutschen. “In der Tat ist die Mobilisierung gegen CSD-Veranstaltungen in diesem Umfang ein neues Phänomen, das im gesamten Bundesgebiet auftritt”, erklärt Janek Treiber, Politikwissenschaftler an der TU Dresden. Gerade in Ostdeutschland seien die Teilnehmerzahlen der Proteste besonders groß, während die CSD-Paraden für die rechte Szene “eine neue Hauptgegnerrolle einnehmen”. Eine neue Generation von Neonazis, die hauptsächlich via Social Media angesprochen werden, begreift gewaltbereite Demonstrationen gegen die CSDs als Erlebnis und verhilft zuletzt eher schwächelnden Organisationen wie den Jungen Nationalisten zu neuer Bedeutung. Dass ausgerechnet das Phänomen Christopher Street Day im Fokus der Rechten steht, erklärt Treiber damit, dass sich diese als Protestobjekt in der analogen Welt anbieten, “die eine links-progressive Idee repräsentieren”. Sexualität und Sexualmoral seien aber seit Langem Themen der extremen Rechten: “Ihre Gegner werden dabei oft als verabscheuungswürdige Perverse dargestellt.” Ein Muster, das sich im Laufe des Sommers bestätigt.
via zeit: Queerfeindlichkeit: Neue Hauptgegner für eine neue Generation von Neonazis