Ruprecht Polenz, das liberale Gewissen der Union, hält im AfD-starken Bautzen eine Rede über die Demokratie. Eine ziemlich gute Idee. Ungefähr zu der Zeit, als in Hamburg eine Demonstration gegen die AfD wegen Überfüllung vorzeitig beendet werden muss, ist es im ostsächsischen Bautzen still, verschneit und schneidend kalt. Die große sächsische Kundgebung soll zwei Tage später in Leipzig stattfinden, Bautzen dagegen erwartet an diesem Abend eine Art Einmanndemo gegen die AfD: Ruprecht Polenz, früherer Generalsekretär der CDU und liberale Twittermaschine mit fast 100.000 Followern, hat sich für eine Rede über die Demokratie angesagt. Das Format heißt Bautzener Rede, später im Jahr wird auch Altbundespräsident Joachim Gauck noch in der Stadt sprechen. Man stellt sich Polenz vielleicht nicht als Erstes in Bautzen vor. Die Stadt ist schön, der Tourismus blüht, aber sie hat auch vieles von dem, worunter Städte mit hohem rechten Potenzial leiden: rechtsextreme Kampfsportszene, identitäre Influencer, eine AfD, die bei der Bundestagswahl 31,9 Prozent holte und die Unterstützung auch in Unternehmer- und Honoratiorenmilieus genießt, und auch demokratische Politiker, die dem mit einer Mischung aus Wegschauen und Opportunismus begegnen. (…) Demokratie, sagt Polenz, sei nicht einfach Volksherrschaft und Mehrheitswille, wie es Pegida und die AfD postulierten, sondern brauche den Schutz von Minderheiten und die Kontrolle von Herrschaft. Freie Presse, Parlamentarismus, Gewaltenteilung, das System der Öffentlich-Rechtlichen: Polenz will da nichts reparieren oder von Grund auf reformieren, sondern er leitet all das vom Demokratiebegriff des Grundgesetzes ab. Freundlich, flüssig, verständlich. Das Publikum ist bei ihm. “Hirnrissige” Bewertung der Regierenden Die Versäumnisse der Politik, die Polenz einräumt, sind eher nicht die, die sein Parteichef Friedrich Merz als Erstes nennen würde. Gerade die CDU, sagt Polenz, habe viel zu lange versäumt, Deutschland als Einwanderungsland wahrzunehmen. Noch heute werde Zuwanderung vor allem als Problem bezeichnet. Es sei doch “hirnrissig”, dass die Regierenden, die früher vor allem an der Arbeitslosenzahl bewertet wurden, heute an der Zahl der Abschiebungen gemessen würden – während der Arbeitskräftemangel viel Zuwanderung notwendig mache. Es gibt Applaus.

via zeit: Bautzener Rede : Die Einmanndemo