AfD-Funktionäre planten jüngst bei einem Geheimtreffen massenhafte Deportationen. Das folgte bis in die Wortwahl einer Schrift des Nazi-Juristen Carl Schmitt. Wäre die AfD eine gesichert linksradikale Partei, sie wäre auf Betreiben der Unionsparteien und ihr nahestehenden Medien womöglich längst verboten worden. Ihre chronisch menschenfeindliche Propaganda, ihre revolutionären Hetzreden gegen das “Establishment”, dann die gut dokumentierten Beziehungen ins extremistische Lager sowie opake Kontakte zum bewaffneten Untergrund – all das wäre vermutlich ausreichend Material für einen erfolgreichen Verbotsantrag in Karlsruhe gewesen. Als die Alternative für Deutschland 2013 von politisch frustrierten Zeitgenossen mit Direktkontakt zu honorigen Unternehmern und marktliberalen Akademikern gegründet wurde, war sie Fleisch vom Fleische bürgerlicher Konservativer, weit rechts, kulturell reaktionär, politisch verdächtig, aber nicht verfassungsfeindlich und ohne sichtbares Radikalisierungspotenzial. (…) Man durfte beruhigt sein, denn alles war wie immer. Linke unterwandern den Staat, Konservative schützen ihn. Linke wollen den Kommunismus, Konservative die Freiheit. Konservative Bürger haben Werte, beten in der Kirche und halten Vorträge bei der Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Der Feind steht links. Es ist immer wieder erstaunlich, wie langlebig gut konservierte Irrtümer sind. In den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gab es nämlich schon einmal eine vermeintlich staatstragende Bewegung, bürgerlich vom Scheitel bis zur Sohle und im intellektuellen Habitus durch und durch konservativ. Tatsächlich aber handelte es sich um rechtsrevolutionäre Antibürger, oder wie man heute weiß: um die Totengräber der Weimarer Republik und die Jasager von 1933. Einer ihrer wirkmächtigsten Stichwortgeber war Carl Schmitt, ein scharfsinniger Rechtswissenschaftler und geachteter Bürger aus Plettenberg im Sauerland. Vor ziemlich genau einhundert Jahren, im Sommer 1923, verfasste er eine Abhandlung mit dem Titel Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, drei Jahre später erschien die zweite Auflage mit einer “Vorbemerkung über den Gegensatz von Parlamentarismus und Demokratie”. Die Lektüre dieser Vorbemerkung ist auf schockierende Weise aktuell, denn bis hinein in die Wortwahl liefert sie die geistige Blaupause für die Vertreibungspläne der AfD. Bürgerlich im Ton, durchweg sachlich und moralisch ungerührt doziert Schmitt über die Vorzüge einer von vermeintlich fremdartigen Elementen gesäuberten, lupenrein homogenen “Demokratie”; es fallen die Worte “Ausscheidung” und “Vernichtung”. Um Säuberung und Vertreibung ging es auch in jener Gesellschaft, die sich im November im stockbürgerlichen Potsdamer Landhaus Adlon versammelt hatte, um die ethnische Homogenisierung Deutschlands zu planen, die Reinigung der Nation von heterogenen rassischen Elementen und undeutschen Andersdenkenden. (…) Für Schmitt ist die Krise des Parlamentarismus kein Grund zur Panik, schließlich seien alle großen Ideen vergänglich und müssten eines Tages absterben. Dann bringt er seine Alternative für Deutschland ins Spiel – es ist die wirkliche Demokratie, eine Regierungsform, die ohne die “künstliche Maschinerie” liberaler Verfahren auskommt, ohne parlamentarisches Palaver, ohne die “statistischen Apparate” und periodischen Wahlen, bei denen atomisierte Bürger in einem anonymen Abzähl- und “Registriersystem” leidenschaftslos ihr Kreuzchen machen. Allerdings, und hier wird Schmitt brutal ehrlich, funktioniere die wirkliche Demokratie nur unter einer Bedingung: Sie müsse “nicht nur Gleiches gleich, sondern das Nichtgleiche nicht gleich behandeln”. Zur “Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen”. Diese Sätze werden noch schauderhafter durch die historischen Beispiele, die Schmitt anführt. Er erwähnt die “radikale Aussiedlung der Griechen” aus der Türkei im Jahr 1923 sowie die “rücksichtslose Türkisierung des Landes”. War der Völkermord an den Armeniern für ihn ein Beispiel für die Herstellung einer identitären Demokratie? Schlagartig jedenfalls macht diese Passage deutlich, warum der überzeugte Antisemit nichts mehr hasste als ein moralisches Argument. Moral war für Schmitt nur etwas für Schwächlinge, das gefährliche Gegengift zu staatlicher Selbstbehauptung im Kampf gegen den Feind. Entsprechend betrachtete Schmitt die Exekution von Macht als natürliche Äußerungsform des geschichtlichen Lebens und die Durchsetzung einer identitär gesäuberten “Demokratie” als Beweis ihrer politischen Kraft. “Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, dass sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende zu beseitigen oder fernzuhalten weiß.” Die AfD nennt es “Remigration”.

via zeit: Die geistige Blaupause für die Vertreibungspläne der AfD

Kopf Führer schützt das Recht.jpg
Von Deutsche Juristen-Zeitung 1934 – Eigener Scan, CC BY-SA 3.0, Link