Nancy Faeser findet das „Du bist hier Gast!“ eines Berliner Polizisten nicht rassistisch. Unsere Autorin aber erkennt hier eine unangenehme deutsche Eigenschaft. Bundesministerin Nancy Faeser findet das „Du bist hier Gast!“ eines Berliner Polizisten nicht rassistisch. Ist man wirklich erst dann in Berlin angekommen, wenn einem die Berliner Schnauze nicht mehr wehtut? Doch einige solcher Sprüche dürfen, ja sollten uns schockieren, aufregen, wütend machen. Ich habe so einen Spruch diese Woche gehört, in einem Video eines Berliner Polizisten in der Wohnung einer syrischen Familie in Alt-Hohenschönhausen. „Das ist mein Land, du bist hier Gast“, sagte er zu einer Mutter. Ihr Mann sitzt mit gefesselten Händen auf einem Sofa hinter dem Polizisten, bei dem Einsatz ging es um eine nicht gezahlten Geldstrafe wegen Schwarzfahrens. Im Hintergrund weinen die Kinder des Paares, eines filmt die Szene heimlich. Am Ende der Geschichte bezahlt die Familie die Strafe in bar, die Polizisten verlassen die Wohnung. Doch die Worte des Polizisten hinterlassen tiefe Spuren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nun gesagt, sie empfinde diese Worte nicht als rassistisch, sondern sie seien einfach „deutlich“. Solche Worte wählen Polizisten manchmal, wenn sie durchgreifen müssen, und dafür müsse man Verständnis haben. Lasst uns eine Sache vorneweg klarstellen: Natürlich ist die Aussage des Polizisten rassistisch. Weil „sein Land“, Deutschland, auch das Land ist, in dem die syrische Family lebt, arbeitet, Steuern zahlt, die Sprache gelernt hat. Sie sind hier keine Touristen, sondern Mitglieder der Gesellschaft, genauso wie er. Der Unterschied: Sie passen nicht in das weiße, europäische, christliche Bild, das er vermutlich von Deutschland hat. Nur deshalb empfindet er es akzeptabel, so mit der Familie zu reden. Wie Nancy Faeser zu dem gegenteiligen Schluss gekommen ist, bleibt mir ein Rätsel. (…) Ich werde nicht aufgrund meines Aussehens in der U-Bahn als „anders“ abgestempelt. Die Aussage des Polizisten kam mir trotzdem irgendwie bekannt vor. Denn dieser bedrohliche Ton, dieser verbale – sowie in diesem Fall auch buchstäbliche – Finger im Gesicht sind Bestandteile des Lebens als Ausländer in Berlin. (…) Ich dachte immer, Berlin sei offen und tolerant. Das sagen doch immer alle. Aber seitdem ich hier hergezogen bin, wächst mein Gefühl, dass viele ganz tolerant und freundlich bleiben – bis zu diesem einen Moment, an dem etwas Irritierendes passiert. Dann ist man plötzlich ganz schnell „nicht von hier“, und das Anderssein wird zum Hauptziel der Angriffe. (…) Ich wohne wirklich gern in Berlin, aber je länger ich hier bin, umso klarer wird mir, wie viele Deutsche es genießen, anderen zu sagen, was sie alles falsch machen. Dabei greifen nicht alle zu solch rassistischen Worten wie der oben genannte Polizist. Aber es zeigt eben noch eine Intoleranz gegenüber Andersartigkeit – anscheinend vor allem gegenüber denen, die sich bewusst für diesen Ort entschieden haben. Meist profitieren die Berliner ja von dieser Vielfalt und erzählen stolz, wie international ihre Stadt sei. Das ganze Land hat schließlich eine Einwanderungsgeschichte, gesteht sich das aber ungern ein. Also: Wir sind weder Touristen noch Gäste, wir sind Berliner, verdammt!
via berliner zeitung: Nein, Frau Faeser, wir sind weder Gäste noch Touristen. Wir sind Berliner!
