Der Anwalt Matthias Bauer hat Dokumente seiner Mandanten offen im Netz gespeichert. Er vertritt Darknet-Shopper, AfD-Politiker und Burschenschafter. Wer Ärger mit der Polizei hat, weil die einem vorwirft, im Darknet Drogen oder Waffen gekauft zu haben, landet nach einer Suchmaschinensuche in vielen Fällen bei ihm: Dr. Matthias Brauer, LL.M. Er hat sich für seine Bonner Kanzlei unter anderem die Webseite darknet-anwalt.de gesichert. „Fernab von klassischem Strafrecht beschäftigte ich mich schon früh mit neuen Medien und betreute verstärkt Mandanten aus dem Bereich der Internetkriminalität“, heißt es da. Und seine Mandant:innen sind offenbar sehr zufrieden, wie die Bewertungen bei anwalt.de zeigen: 5 von 5 Sternen. Was all diese Mandant:innen wohl nicht ahnen: Der vermeintliche Internet-Fachmann Brauer hat Unmengen vertraulicher Akten zu ihnen ins Netz gestellt – unverschlüsselt und ohne Passwortschutz. Die taz wurde auf einen Link zu einer Dropbox aufmerksam gemacht, das ist ein Cloud-Speicher. Ruft man den Link im Browser auf, sind ohne weitere Hürde mehr als 1.500 Ordner der Kanzlei abrufbar. In der Regel ist jedem Ordner ein Fall zugeordnet und enthält teils tausende Seiten. Insgesamt handelt es sich um mehr als 100 Gigabyte an Daten aus dem Zeitraum 2016 bis März 2022. (…) Das Datenleck ist auch wegen der politischen Ausrichtung des Anwalts Matthias Bauer relevant. In den Daten finden sich Unterlagen zu Presserechts-Streitigkeiten, unter anderem mit der taz. Brauer vertritt etwa den rechtsextremen Verein Ein Prozent, die rechtsextreme Identitäre Bewegung, rechte Burschenschaften und nach eigenen Angaben in mehr als 100 Fällen Fraktionen, Parteigliederungen und einzelne Politiker:innen der AfD – auch in parteiintern Auseinandersetzungen. Einzelne rechte und rechtsextreme Personen vertritt Bauer auch persönlich wegen unterschiedlicher Straftaten. Auch die Daten der mutmaßlichen Opfer stehen nun offen im Netz, etwa private Daten von Personen, die gegen die AfD demonstriert haben. (…) Mit dem Datenleck hat Anwalt Brauer nicht nur gegen allgemeine Datenschutzbestimmungen verstoßen, nach denen personenbezogene Daten zu schützen sind. Das Datenleck ist noch gravierender, weil Rechtsanwälte als Berufsgeheimnisträger besonders vorsichtig mit ihnen anvertrauten Daten umgehen müssen. Paragraf 203 des Strafgesetzbuches sieht für die „Verletzung von Privatgeheimnissen“ bis zu ein Jahr Haft oder Geldstrafe vor. Die Bundesrechtsanwaltsordnung nennt Verschwiegenheit als berufliche Grundpflicht, wozu es auch gehört, die Daten zu den Mandanten sorgfältig zu schützen. In der Dropbox sind sehr sensible Daten gespeichert: Die Adressen, Geburtsdaten und Telefonnummern von Mandant:innen, Notizen und Schriftsätze des Anwalts und Schreiben von Justizbehörden. Auch sehr viele komplette Ermittlungsunterlagen, die dem Anwalt im Zuge der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt wurden, also etwa Befragungen von Beschuldigten, Opfern und Zeug:innen.
via taz: taz-Recherche zu Leak sensibler Daten – Nazi-Anwalt ohne Datenschutz