Der Journalist Patrick Gensing wird von Rechten als „Mitglied der linksterroristischen Antifa“ bezeichnet. Interessiert das die Staatsanwaltschaft? Wer öffentlich von Nazis beleidigt wird, hat meistens einiges richtig gemacht. Ob jemand die Bezeichnung „Mitglied der linksterroristischen Antifa“ überhaupt als Beleidigung oder üble Nachrede empfindet, dürfte allerdings individuell unterschiedlich sein. Der Investigativ-Journalist und Leiter der ARD-Onlineplattform „Faktenfinder“, Patrick Gensing, fand aber, dass sie zumindest ein Anlass für die Hamburger Staatsanwaltschaft sein sollte, wegen „übler Nachrede“ zu ermitteln. Jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die Behauptung „Du bist so 1 Pimmel“ gegenüber Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ein Grund für eine Hausdurchsuchung war. Es müsste ja nicht gleich bewaffnet um 6 Uhr morgens sein. Die mutmaßlichen Verfasser, die Gensing in einem Beitrag auf ihrer Homepage ein „Mitglied der linksterroristischen Antifa“ nannten, sind in diesem Fall die Mitglieder der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V.“ (SWG). Der Verein existiert seit 1962 und ist einer der ältesten extrem rechten Vereine Hamburgs. Er organisiert Veranstaltungen und gibt halbjährlich ein Magazin heraus, das Deutschland Journal. Die Artikel darin tragen Überschriften wie „Masseneinwanderung zerstört unseren Wohlstand“ oder „Traditionswürdiges der Wehrmacht“. Der Gründer des sich konservativ gebenden Vereins, Hugo Wellems, war unter Josef Goebbels Referent im Propagandaministerium. (…) Dass Jour­na­lis­t*in­nen zur Zielscheibe von rechter Hetze werden, ist alles andere als eine Seltenheit – vor allem, wenn sie bei öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten und gerade, wenn sie zu Rechtsextremismus recherchieren. Über Gensing schrieb die SWG in einem Artikel vom März 2018: „Eine Recherche belegt, dass sich Patrick Gensing, Chef der geistig völlig verwahrlosten Propagandakompanie, bereits 2015 als eingefleischtes Mitglied der linksterroristischen Antifa outete.“ Gensing meldete das am 10. September 2021 der Polizei, also zwei Tage nach dem Pimmelgate. Die Innenbehörde hatte damals beteuert, die Hausdurchsuchung bei der Ex-Freundin des Verfassers des Pimmel-Tweets habe nichts mit einer Vorzugsbehandlung des Senators zu tun, sondern sei auf ein grundsätzlich hartes Vorgehen gegen Hatespeech zurückzuführen. In der Realität widerspricht die Erfahrung von Betroffenen dem meistens.. (…) Die Staatsanwaltschaft schickte Gensing per Post eine Zeugenbefragung an die von ihm angegebene Adresse des NDR. Allerdings war Gensing pandemiebedingt im Homeoffice und wusste nichts von dem Brief. Als seine Antwort ausblieb, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren am 17. Dezember ein. Der Grund: Es habe kein Täter ermittelt oder keine Straftat festgestellt werden können.

via taz: Ermittlungen wegen Hass im Netz – Ein Terrorist ist kein Pimmel