Fehler- und lückenhafte Verschriftung mitgeschnittener Telefonate, mangelhafte Vorbereitung von Durchsuchungen und Festnahmen – im Verfahren gegen mutmaßliche Rechtsterroristen treten gerade nach der Zeugenaussage eines Hauptkommissars Mängel in den Ermittlungen zu Tage. Im Prozess gegen die Mitglieder der mutmaßlichen rechtsterroristischen Gruppe S. brodelt es – besonders bei den Verteidigern. Seit Sommer bemängeln sie fehlerhaft verschriftete Abhörprotokolle, mangelhaft auf Durchsuchungen und Vernehmungen vorbereitete Ermittler. Vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht benannten sie jetzt offen die Schwächen in der Ermittlungsarbeit: Oft seien die Ermittlungen von Beamten geführt worden, die nicht im Staatsschutz ausgebildet worden seien. „Dass die Polizisten vor den entscheidenden Durchsuchungen und Festnahmen am 14. Februar 2020 nach eigener Aussage ‚zusammengetrommelt‘ wurden, scheint mir ein Grundproblem dieses Verfahrens zu sein“, sagte Rechtsanwalt Jörg Becker in einer Erklärung. Der Generalbundesanwalt wirft den zwölf Angeklagten vor, sie hätten Moscheen angreifen, dort ein Blutbad anrichten und so einen Bürgerkrieg auslösen wollen, der zum Systemwandel in Deutschland führen sollte. Weil es vor diesem Hintergrund darauf ankommt, was wer wann genau gesagt hat, bemängelte Verteidiger Philipp Grassl schon am 11. Verhandlungstag im Juli „die fehlerhaften Abschriften der Telefonüberwachung“. Wenig später wunderte es seine Kollegin Kerstin Rueber-Unkelbach, dass „die Angeklagten entlastende Gesprächspassagen nicht in den verschrifteten Protokollen auftauchen“. (…) Solche Fehler sind wohl auch ein Grund dafür, dass der vorsitzende Richter des 5. Strafsenats, Herbert Anderer, an 13 der bislang 29 Verhandlungstage die Mitschnitte aufgezeichneter Telefonate im Gerichtssaal abspielen ließ. „Entscheidend ist“, gab er vergangene Woche vor, „was wir hier im Gerichtssaal hören.“ Zumal die Juristen jetzt auch Kopien der Audios bekamen. So sollen sie die Gespräche selbst abhören und beantragen können, ihnen wichtige Telefonate auch offiziell in den Gerichtsverhandlungen zu hören. (…) Einmal habe der Angeklagte das Vernehmungsprotokoll handschriftlich verändert, war er überzeugt. Richter Anderer lässt die 14 Seiten der Mitschrift auf die übergroßen Bildschirme des Gerichtssaales projizieren: 17-mal hat Frank H. das Protokoll abgeändert. Es zudem mit „sinngemäß“ unterschrieben. Was er damit habe aussagen wollen, will der Richter wissen. Das wisse er nicht genau, sagt der Ermittler. Ob H. damit vielleicht zum Ausdruck habe bringen wollen, dass die beiden Befrager seine Antworten zusammengefasst und der Sekretärin diktiert hätten, hakt Anderer nach. Das könne sein, weicht der Hauptkommissar aus. „Wie Sie sich hier präsentieren, ist eines Zeugen der Polizei unwürdig“, sagt Anderer, der Angeklagten und Zeugen bislang immer wertschätzend und auf Augenhöhe begegnete.
via StN: Verteidiger: Polizei ermittelte schlampig gegen Gruppe S.