Eine wissenschaftliche Untersuchung auf der Basis von mehr als vier Millionen Facebook-Kommentaren zeigt, wo sich der Hass entlädt und wen er trifft: Auf den Seiten der AfD wird mit Abstand am meisten gehasst, gegen Linke, Frauen und alles Fremde. Dass Konservative und Rechte ebenso heftig von Hassnachrichten betroffen wären wie Linke oder Grüne, trifft indes nicht zu. Spätestens seit dem Mord an Walter Lübcke im Juni 2019 ist klar, dass sich die Auswirkungen von Online Hate Speech nicht nur auf das Internet beschränken. Das rechtsextrem motivierte Attentat wird von einer Flut an Hasskommentaren begleitet – sowohl davor als auch danach. Während im Vorfeld unter anderem die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach und die rechtsextreme Website PI-News wiederholt mit einem vier Jahre alten Video Hetze gegen Lübcke betrieben und in den Kommentaren Morddrohungen gegen ihn veröffentlicht wurden, äußern Nutzer:innen im Nachhinein Freude über den Tod des Politikers. (…) Hate Speech wird in der gängigen Literatur definiert als der sprachliche Ausdruck von Hass gegen eine bestimmte Gruppe. Sie ist abzugrenzen von harter Kritik und individuellen Beleidigungen. Von ersterer unterscheidet sie sich dadurch, dass sie nicht kritisieren, sondern herabwürdigen will. Von letzterer unterscheidet sie sich durch den Bezug auf eine ganze Gruppe statt einer einzelnen Person. Hassrede zielt darauf ab, eine Gruppe von Menschen aufgrund von Merkmalen herabzusetzen, die deren Mitglieder (vermeintlich) teilen. Dafür wird nicht zwingend die ganze Gruppe als solche angesprochen. In vielen Fällen wird eine einzelne Person adressiert, allerdings in ihrer Rolle als (vermeintliches) Mitglied dieser Gruppe. Die Person muss sich dafür nicht selbst als Mitglied dieser Gruppe ansehen. Oftmals werden beispielsweise Muslim:innen als eine einzelne homogene Gruppe dargestellt, die kollektiv handelt und die gleichen Interessen verfolgt. Eine verwerfliche Tat einer einzelnen dieser Gruppe zugeordneten Person wird dann der ganzen Gruppe vorgeworfen. (…) Während der Anteil an Hasskommentaren bei FDP und SPD mit jeweils unter einem Prozent am niedrigsten ausfällt, ist er bei der AfD mit 6,79 Prozent mit Abstand am höchsten. Danach folgen Grüne (4,76 Prozent), Linke (3,38 Prozent), CSU (3,25 Prozent) und CDU (2,69 Prozent). Beleidigungen finden sich mit einer Quote von 2,94 Prozent ebenfalls am häufigsten bei der AfD. (…) Am häufigsten folgen Hasskommentare auf Posts zu den Themen Frauenrechte (15,38 Prozent), Terrorismus (11,32 Prozent), Rechtsextremismus (10,91 Prozent), Migration (8,05 Prozent) und Straftaten & innere Sicherheit (8,00 Prozent). (…) Der AfD kommt beim Thema Hasskommentare eine Sonderrolle zu. In ihren Kommentarspalten findet sich der größte Anteil an Hasskommentaren, und das ist kein Zufall. Zum einen könnte die Partei ganz einfach solcherlei Kommentare löschen, was sie aber seltener tut als andere Parteien. Auch ist die AfD die einzige der etablierten Parteien, die in ihrem Facebook-Auftritt keine Kommentarregeln eingebettet hat. Hate Speech wird bei der AfD also zumindest in weiten Teilen geduldet. Zum anderen bleibt es aber nicht bei der Duldung. Die Partei scheint mit ihrer Facebook-Seite auch eine Art Echokammer für entsprechende Ansichten zu bilden. Darauf deutet einerseits die Tatsache hin, dass Hasskommentare bei der AfD mit Abstand am häufigsten „geliket“ werden. Während bei CDU, FDP, den Linken und der SPD Hasskommentare seltener mit „Gefällt mir“ markiert werden als Nicht-Hasskommentare, ist es bei CSU, Grünen und der AfD umgekehrt, wobei auch hier die AfD mit deutlichem Abstand vorne liegt. Während das Like-Verhältnis zwischen Hasskommentaren und nicht Hasskommentaren bei der CSU bei 2,3 zu 1,87 und bei den Grünen bei 2,17 zu 1,81 liegt, wird Hate Speech bei der AfD mit 5,97 zu 2,89 mehr als doppelt so oft mit „Gefällt mir“ markiert wie normale Beiträge. Dazu kommt, dass die AfD aktiv die Verbreitung von Hate Speech antreibt, indem sie selbst als einzige Partei regelmäßig Beiträge postet, die Hassrede enthalten. Da auf normale Posts nur in 4,23 Prozent der Fälle Hasskommentare folgen, auf Hassposts hingegen doppelt so häufig (8,47 Prozent), ist es plausibel zu behaupten, dass die Partei auch durchaus selbst zu dem hohen Anteil an Hassrede auf ihrer Facebook-Seite beiträgt. Hate Speech scheint also zumindest auf Facebook ein stark rechtes Phänomen zu sein.
viaa netzpolitik: Facebook und ParteienBei Hass-Kommentaren liegt die AfD vorn
Download: Studie: “Hasskommentare auf den Facebook-Seiten deutscher Parteien. Eine Inhaltsanalyse”