Wie QAnon zum größten Verschwörungsmythos wurde

Wie aus unbelegten Anschuldigungen und nicht eingetretenen Ankündigungen die verbreitetste und gefährlichste Verschwörungstheorie wurde. Die erste Botschaft dessen, was sich innerhalb von knapp drei Jahren zu einer weltweit verbreiteten Verschwörungstheorie entwickelte, wurde am 28. Oktober 2017 beim Imageboard 4chan gepostet: Hillary Clinton werde am 30. Oktober morgens formell verhaftet, falls sie in der Zwischenzeit versuche, die USA zu verlassen, seien bereits Auslieferungsanträge an verschiedene Länder ergangen. “Erwartet massive Unruhen”, hieß es weiter, außerdem sei mit Fluchtversuchen weiterer Personen zu rechnen. Das US-Militär werde die Operation durchführen, die Nationalgarde sei in allen großen Städten des Landes in Alarmbereitschaft versetzt worden. Diese Nachricht enthielt das, wonach sich viele Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump sehnten, die in seinen Wahlveranstaltungen begeistert “Lock her up” gerufen hatten und darauf warteten, dass Trump seine Ankündigung wahrmachen und mit der “Trockenlegung des Sumpfes” beginnen würde. Die Phrase stand für das verhasste politische und kulturelle Establishment, das für Trump-Fans grob aus kommunistischen Unterdrückern traditioneller weißer, christlicher Werte besteht. Betitelt war das Posting als “the calm before the storm” – auf Deutsch “die Ruhe vor dem Sturm”. Der anonym postende Nutzer bezeichnete sich selbst als “Q Clearance Patriot”. Aus dieser Bezeichnung und der Tradition, anonym auf den Imageboards postende Nutzer als Anons zu bezeichnen, entwickelte sich der Name QAnon. Der Titel des Posts dagegen prägte den Begriff The Storm, der inzwischen QAnon-typischer Sprachgebrauch ist und für ein immer kurz bevorstehendes Ereignis steht, bei dem Tausende aus dem Lager der Etablierten verhaftet, eingesperrt und hingerichtet werden sollen. Keine drei Stunden später legte Q nach: “HRC festgenommen, aber noch nicht verhaftet”, begann die neue Botschaft (die Initialen stehen für Hillary Rodham Clinton). Sie enthielt einige weitere Andeutungen wie die, dass die Festnahme ohne Wissen der “3 letter agencies”, also FBI, CIA, DHS und so weiter, geschehen sei und George Soros sein gesamtes Vermögen bereits verschenkt habe. Ob alle diese Beiträge von der gleichen Person stammen, von einer Gruppe oder ob sie zunächst unabhängig voneinander erstellt wurden, kann nicht nachgewiesen werden, weil auf dem Imageboard jeder anonym posten kann. In späteren Beiträgen und nach einem Wechsel des Boards zu 8chan verwendete QAnon aber eine Identifikation über Tripcodes, die anonymen Usern ermöglicht, sich als derselbe User wie in anderen Beiträgen zu identifizieren: Man gibt beim Posten ein Passwort mit an, aus diesem wird der Tripcode generiert, und nur wer das Passwort kennt, kann auch unter diesem Tripcode posten. (…) Auf Social Media wie Twitter und Facebook konnten sich die QAnon-Verschwörungstheorien jahrelang ungehindert verbreiten, und das weltweit. Unter dem entsprechenden Hashtag versuchten User vor einigen Monaten mithilfe gefälschter Fotos unter anderem, Spannungen zwischen Muslimen und Hindus in Indien anzuheizen, auch bei regionalen Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent wurden QAnon-Tweets verbreitet. Erst seit Kurzem gehen soziale Medien gegen QAnon vor. Wie gefährlich die Botschaften von QAnon sind, hat das FBI bereits Ende Mai 2019 festgestellt. In einem Bulletin des Phoenix Field Office hieß es, es handele sich um “von Verschwörungstheorien getriebene einheimische Extremisten”, die eine wachsende Bedrohung darstellten. Denn dadurch könnten “gelegentlich sowohl Gruppen als auch einzelne Extremisten dazu veranlasst” werden, “kriminelle oder gewalttätige Handlungen durchzuführen”.

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