Der schillernde rechtsextreme Theoretiker Aleksandr Dugin, 1962 in Moskau geboren, ist heute nicht nur den meisten Nationalismusforschern rund um die Welt ein Begriff. Dugin hat in den vergangenen Jahren erhebliche internationale Medienaufmerksamkeit erhalten. So wurde er 2014 von der renommierten Washingtoner Zeitschrift Foreign Policy in deren Liste der 100 „führenden globalen Denker“ unter der Kategorie „Agitatoren“ aufgenommen. Allerdings hat Dugin trotz seiner inzwischen hohen allgemeinen Bekanntheit nur geringe akademische Anerkennung außerhalb der antiliberalen Szene erlangt. Letzteres wünscht sich offenbar der selbsterklärte Begründer des russischen sogenannten „Neoeurasismus“ sehnlichst – so zumindest deutet die Tonlage seiner zahlreichen Audio- und Videoauftritte auf russischen Internetseiten an. Dugins „neoeurasische“ Ideologie ist – entgegen ihrer Bezeichnung – nur partiell eine Fortsetzung der eurasischen Idee der russischen antikommunistischen Emigration der Zwischenkriegszeit. Die klassischen Eurasier der 1920er- und 1930er-Jahre waren eine originär russische, pannationalistische Intellektuellenbewegung mit hohem wissenschaftlichem Anspruch, welcher einige von ihnen an renommierte westliche Hochschulen führte. Sie glaubten aufgrund multidisziplinärer Forschung, einen dritten Kontinent und eine eigenständige Zivilisation – „Eurasien“ – zwischen Asien und Europa entdeckt zu haben. Das Territorium dieses autoritären, „ideokratischen“ (das heißt von politischen Ideen regierten) und christlich-orthodoxen „Eurasiens“ war, in der Vorstellung der Eurasier, weitgehend kongruent mit der Fläche der UdSSR. Dugins „Neoeurasismus“ dagegen ist geografisch weniger klar definiert, ja nicht einmal notwendig nur auf die euro-asiatische Landmasse beschränkt. Auch ist sein ausschweifendes Theoriegebäude – im Gegensatz zum klassischen Eurasismus – mit keinerlei ernstzunehmenden empirischen Untersuchungen unterlegt. Es ist – im Gegenteil – extrem spekulativ und mutet oft geradezu märchenhaft. Dugins manichäische Weltgeschichte eines uralten Kampfes der See- gegen die Landmächte erscheint teils als Persiflage auf Tolkiens Welt im Roman Herr der Ringe und ähnlicher Fantasy-Belletristik. Die Bezeichnung „Neoeurasismus“ stellt auch in anderer Hinsicht einen Etikettenschwindel dar. Dugins Doktrin beruht weniger auf klassischem russischen Eurasiertum als auf westlichen Quellen, wie dem westeuropäischen Anarchosyndikalismus, der deutschen Konservativen Revolution, der klassischen Geopolitik (vor allem Halford Mackinder und Karl Haushofer) oder dem westlichen Integralen Traditionalismus. „Neoeurasismus“ ist bei Dugin wenig mehr als eine ideologisch und geografisch flexible Chiffre für radikalen Kollektivismus, megalomanischen Neoimperialismus, unverblümten Bellizismus, fanatischen Revolutionarismus und fundamentalen Antiamerikanismus.

via portal für politikwissenschaft: Aleksandr Dugin – Kreuzzug gegen den Liberalismus und Verbindungen nach Deutschland

Categories: Rechtsextremismus