Es dauerte nicht lange, bis am Wochenende die ersten Videos in den sozialen Netzwerken kursierten. Eines zeigt eine Gruppe von Demonstrierenden, die sich, mit Warnwesten und Regenschirmen ausgestattet, auf einer Bundesstraße in der Nähe von Gießen langsam nach vorn bewegt. „Wehrt euch, leistet Widerstand“, singen sie. Bis eine Einheit von Polizisten auf sie zurennt. Man sieht in dem Clip, wie Beamte mit Schlagstöcken auf Demonstrierende einschlagen und mehrere Demonstrierende zu Boden gehen. Hochgeladen hat das Video das linke Onlinemedium „Perspektive“ in seinem Liveticker zu den Protesten gegen die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation in Gießen, kommentiert mit den Worten: „massive Polizeigewalt“ auf der B49. Und schon ist sie wieder da, die Frage, die nach solchen Demos in Deutschland verlässlich aufkommt: Hat die Polizei unverhältnismäßige Gewalt eingesetzt? Die Videos seien ihnen bekannt, sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. Man werde prüfen, ob die Beamten in den entsprechenden Situationen rechtmäßig gehandelt hätte. In Gießen waren am Samstag etwa 6000 Beamte aus ganz Deutschland im Dienst, die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Beim Einsatz der Wasserwerfer, sagte der Sprecher, gehe die Polizei derzeit davon aus, dass er rechtmäßig war. (…) Das linke Bündnis „Widersetzen“, das zu Protesten aufgerufen hatte, sprach am Sonntag von „unprovozierter und völlig überzogener Polizeigewalt“. Beamte seien im Vollsprint auf Demonstrierende zugerannt, es habe einen „massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gegeben“. Währenddessen seien „AfD-Anhänger in Limousinen kutschiert“ worden. Ein Sprecher der Polizei sagte hingegen, lediglich die Busse von Teilnehmenden des AfD-Treffens seien von Beamten gelotst worden. Teilnehmende seien nicht in Polizeiwagen zur Halle gefahren worden. Spitzenpolitiker wie die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hätten Personenschutz gehabt. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Luke Hoß war als parlamentarischer Beobachter in Gießen, auch als am Samstag Busse mit Demonstrierenden aus Berlin in der Nähe von Gießen ankamen. „Die wurden von der Polizei praktisch mit Pfefferspray begrüßt“, sagt er. Er habe in dieser Situation den Eindruck gehabt, dass die Aggression von der Polizei und nicht von den Demonstrierenden ausgehe. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Mayra Vriesema, ebenfalls als parlamentarische Beobachterin in Gießen, schildert einen anderen Eindruck: „Von massivem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken innerhalb von Gießen kann aus meiner Sicht nicht die Rede sein.“ Sie selbst habe keine konkreten Fälle von Polizeigewalt beobachtet. Allerdings zeigten einige Videoaufnahmen durchaus ein potenzielles Fehlverhalten der Einsatzkräfte. „Diese Einzelfälle müssen ausgewertet und kritisch aufgearbeitet werden“
via sz: Proteste gegen AfD-Jugend Massive Gewalt oder großer Erfolg?
siehe auch: Streit über Polizeieinsatz bei AfD-Versammlung Hessens Innenminister Poseck spricht von “bürgerkriegsähnlichen Zuständen”, Demonstrierende von “massiver Polizeigewalt – nach dem Polizeieinsatz bei der AfD-Versammlung in Gießen gehen die Bewertungen weit auseinander. Nach der Großdemonstration gegen die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation am Samstag in Gießen mit zehntausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern geht es in der politischen Bewertung nun vor allem um die Gewalttaten einiger hundert Demonstranten und die Härte des Polizeieinsatzes. (…) Auch wenn Poseck selbst einräumte, dass der überwiegende Teil der Demonstranten friedlich geblieben sei, sagte er, die Polizei habe “weitere Eskalationen verhindert” und das Recht auf Versammlungsfreiheit durchgesetzt. (…) Das Bündnis beklagte eine teils “massive Polizeigewalt” und verletzte Demonstranten. Es habe Einsätze von Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray gegeben. Im Netz wurden mehrere Videos von Polizeikräften verbreitet, die auf Protestierende einschlagen und breitflächig Pfefferspray einsetzten.Anwalt: “Offensichtlich rechtswidrig”Der Marburger Rechtsanwalt Jannik Rienhoff, der einige in Gewahrsam genommene Aktivisten des Bündnisses vertritt, sagte, Polizisten seien teils gegen Leute angerannt und hätten “draufgeschlagen”, was “offensichtlich rechtswidrig” sei. Personen, die in Gewahrsam genommen worden seien, sei es nicht ermöglicht worden, zu telefonieren – obwohl eigentlich klar sei, dass Menschen in Gewahrsam ihre Anwälte anrufen dürften, kritisierte Rienhoff.Polizeipräsident Krückemeier widersprach dieser Darstellung. Er gehe davon aus, dass die Rechte festgenommener Personen zu jeder Zeit berücksichtigt worden seien. Hinweise auf eine unrechtmäßige Anwendung gebe es bislang nicht.