Der Kanzler will sich offenbar nicht mit der NS-Geschichte seiner Familie befassen. Das sagt viel über sein Verständnis von Erinnerungspolitik. (…) Wir haben recherchiert, dass der Großvater des Bundeskanzlers, anders als sein Enkel bisher behauptet hat, nicht in die Abgründe des Nationalsozialismus „hineingeraten“ ist und auch nicht „ohne eigenes Zutun“ Mitglied der NSDAP wurde. Sondern dass der Großvater, damals Bürgermeister von Merz’ Heimatstadt Brilon, ein „eifriger“ SA-Mann war und seine NSDAP-Mitgliedschaft persönlich und früher als bisher bekannt beantragt hat. So steht es in seiner Personalakte aus dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. (…) Merz findet offenbar nicht, dass er in seiner neuen Rolle als deutscher Kanzler in einer besonderen Verantwortung steht, die Halbwahrheiten, die er über die NS-Vergangenheit seiner Familie verbreitet hat, öffentlich zu revidieren. (…) Viele teilen mit dem Bundeskanzler womöglich den Unwillen, sich mit den Geschichten der Täter und Mitläufer zu beschäftigen. Es stimmt, niemand kann etwas für seinen Großvater. Aber ein deutscher Bundeskanzler sollte über die Verstrickungen seiner Familie in den Nationalsozialismus besser Bescheid wissen als Friedrich Merz. Vor allem, wenn eine stets hilfsbereite Zeitung ihm die Mühe abnimmt, in den Archiven nachzuschauen. Spätestens seit 2004, als die taz das erste Mal über seinen Großvater berichtete, wusste Merz, dass die Familienlegenden nicht stimmten. Er hatte 20 Jahre Zeit, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Aber er hat sich anders entschieden. Und schweigt weiter, auch als Bundeskanzler, 80 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus. Friedrich Merz ist damit der passende Kanzler für die neue deutsche Erinnerungspolitik: Man gedenkt in den immer gleichen Floskeln und spricht von historischer Verantwortung, sagt aber nicht, was denn diese Verantwortung konkret für das eigene Handeln in der Gegenwart bedeutet. Das zeigt sich in diesen Tagen beispielhaft in der Asylpolitik, aber auch in der Nahost- und der Verteidigungspolitik.
via taz: Umgang mit NS-Erinnerung Was der Opa von Friedrich Merz mit der Gegenwart zu tun hat
siehe auch: Friedrich Merz und sein Naziopa. Kann Merz als Bundeskanzler dazu weiter schweigen? taz-Recherchen zeigen: Der Großvater von Friedrich Merz bemühte sich selbst um die Aufnahme in die NSDAP – und wurde früher Mitglied als bisher bekannt. Josef Paul Sauvigny, der Großvater von Bundeskanzler Friedrich Merz, hat sich persönlich um die Mitgliedschaft in der NSDAP bemüht. Zudem beantragte er seine Mitgliedschaft in der Nazipartei früher als bisher bekannt. Dokumente, die der taz vorliegen, widerlegen die frühere Aussage von Friedrich Merz, sein Großvater sei „ohne eigenes Zutun“ Mitglied der NSDAP geworden. Der taz liegen die Personalakte von Josef Paul Sauvigny aus dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen sowie der Auszug aus der NSDAP-Mitgliederkartei aus dem Bundesarchiv vor. Die Dokumente belegen, dass Sauvigny bereits am 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP wurde (siehe Foto), und damit früher als bisher bekannt. Seinen Mitgliedsantrag hat Sauvigny der Personalakte zufolge zwischen Mai 1933 und Februar 1936 gestellt. Weiter heißt es in der Akte, er habe sich als SA-Mann „eifrig betätigt“ und unterstützte die NSDAP „nach Möglichkeit“. Josef Paul Sauvigny war von 1917 bis 1937 Bürgermeister von Brilon. 2004 hatte sein Enkel Friedrich Merz, damals Fraktionsvize der Union, vor Parteifreunden zum „Sturm aufs rote Rathaus“ von Brilon aufgerufen und sich dabei auf seinen Großvater berufen. Die taz hatte daraufhin recherchiert, dass Sauvigny Mitglied von NSDAP und SA war. Bis 1933 war er Mitglied der katholischen Zentrumspartei. Während eine Reihe von Mitgliedern dieser Partei in der Nazi-Zeit in den Widerstand gingen und verfolgt wurden, schloss sich Sauvigny den braunen Machthabern an. (…) 2004 hatte Merz in einem mehrseitigen Dokument zur taz-Berichterstattung Stellung genommen und darin den journalistischen Stil der taz als „widerlich“ bezeichnet. Merz schrieb außerdem, sein Großvater habe sich „geweigert“, der NSDAP beizutreten, und sei nur, weil er als Amtsträger gemusst habe, in die SA eingetreten. Später sei sein Großvater „ohne Zutun“ von der SA in die NSDAP „überführt“ worden, und zwar 1938, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt. Auffällig ist, dass sich diese Aussagen von Merz fast wörtlich in der Erklärung seines Großvaters finden, mit der dieser sich 1946 vor dem Entnazifizierungsausschuss selbst entlastete. Auch Sauvigny hatte damals erklärt, er sei 1938 in die Partei „überführt worden“. Es liegt nahe, dass Merz diese Schutzbehauptung seines Großvaters ungeprüft übernommen hat. Als SA-Mann „eifrig betätigt“ Wann genau Sauvigny den Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt hat, wird aus den der taz vorliegenden Dokumenten nicht klar. Der Aufnahmeantrag Sauvignys ist nicht überliefert. In der Personalakte finden sich allerdings Stellungnahmen, die deutlich machen, dass Sauvigny sich aktiv um die Mitgliedschaft in der Partei bemühte. In einem Vermerk des Landrats vom März 1936 heißt es, Sauvigny habe sich „von Anfang an als SA-Mann eifrig betätigt“. Es sei nichts bekannt, was seiner Aufnahme in die Partei entgegenstehe“. In einer weiteren Stellungnahme von Februar 1936 erklärt der Ortsgruppenleiter des NSDAP, Sauvignys Beitrittsgesuch sei nach dem 1. Mai 1933 erfolgt und deshalb bisher nicht bearbeitet worden. Die NSDAP hatte zu diesem Zeitpunkt einen Aufnahmestopp erlassen, da nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten Millionen Deutsche in die Partei eintreten wollten. Dieser Aufnahmestopp wurde 1937 schrittweise wieder aufgehoben. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter erklärte über Sauvigny, „sein Verhältnis zur Partei ist kein schlechtes und er unterstützt sie nach Möglichkeit“. Man sei unter Parteimitgliedern aber der Ansicht, „dass eine jüngere und energischere Persönlichkeit für die Leitung der städtischen Geschäfte notwendig wäre“. Aus der Personalakte geht also tatsächlich hervor, dass es in der NSDAP und auch in der Verwaltung Stimmen gab, die einen anderen Bürgermeister in Brilon wollten. Deutlich wird aber auch, dass Merz’ Behauptung über seine Familiengeschichte, sein Großvater sei „ohne Zutun“ Mitglied der NSDAP geworden, nicht zu halten ist.
siehe dazu auch: Merz bejubelt rechten Großvater (2004). CDU-Politiker Friedrich Merz macht den Hohmann. Vor Parteibasis in Brilon feierte der Sauerländer seinen Opa. Dabei war Merz‘ Großvater Bürgermeister in der Nazizeit und lag Adolf Hitler zu Füßen. Friedrich Merz hat vor sauerländischen Parteifreunden ein Loblied auf seinen ultrarechten Großvater gesungen. Vergangene Woche forderte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion zur Abwahl des „roten Bürgermeisters“ in seiner Heimatstadt Brilon auf. Es erfülle ihn „mit tiefem Grausen“, so Merz, dass ein Sozialdemokrat im Rathaus sitze. „Das muss beendet werden“, weil sein Großvater früher Bürgermeister von Brilon gewesen sei. Deshalb sei er dabei, wenn „das rote Rathaus“ gestürmt werde. Josef Paul Sauvigny, der Opa von Merz, war ein Rechtsaußen, blieb nach der Machtübernahme der Nazis 1933 Briloner Bürgermeister und war ein Fan von Adolf Hitler. (…) Nach Forschungen von Brilonern Lokalhistorikern waren die Nationalsozialisten zumindest sehr zufrieden mit Sauvigny. In einem Artikel der „Sauerländer Zeitung“ über das Dienstende Sauvignys heißt es am 2. Juli 1937: „Sein Amt verwaltete er stets im nationalsozialistischen Geiste“. In der gleichen Zeitung wird am 3. Mai 1933 eine Lobeshymne Josef Paul Sauvignys auf Adolf Hitler zitiert: „Während bisher sich deutsche Kraft zerspalten und verbluten am ewigem Führerwechsel, ist es heute eine Kraft, die uns leitet, ein Führer, der uns ruft. (…) Der ehrwürdige Reichspräsident und Kanzler Hitler, sie leben Hoch, Hoch, Hoch.“; Merz‘ Großvater SA- und NSDAP-Mitglied (2004). Dokumente, die die taz gestern vom Hauptstaatsarchiv Düsseldorf ausgehändigt bekam belegen: Der Bürgermeister von Brilon Josef Paul Sauvigny war Mitglied mehrere NS-Organisationen, darunter der SA. Merz veröffentlicht dreiseitige Erklärung