Es war Ende April 2018, als zwei Neonazis im Thüringer Eichsfeld zwei Journalisten bei ihrer Recherche zum langjährig aktiven Neonazi Thorsten Heise überfielen und teils schwer verletzten. Das Ergebnis: eine Stichverletzung mit einem Messer im Oberschenkel, eine Fraktur des Schädelknochens, ein demoliertes Auto und eine gestohlene Kamera. Doch auch mehr als sieben Jahre nach der Gewaltattacke gibt es noch immer kein rechtskräftiges Urteil. Die äußerst milden Schuldsprüche des Landgerichts Mühlhausen aus dem September 2022 hat der Bundesgerichtshof vor eineinhalb Jahren aufgehoben und das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese muss nun die Beweisaufnahme neu durchführen, geschehen ist seitdem aber: nichts. Auch eine neue Verhandlung hat das Landgericht bisher nicht angesetzt. Einer der beiden Journalisten, die im ersten Verfahren als Nebenkläger auftraten, hat nun mit einer „Verzögerungsrüge“ reagiert. Sie schafft die Grundlage für eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Der Göttinger Anwalt eines der Journalisten, Sven Adam, wirft dem Gericht Versagen vor. Es sei peinlich, „das Heft nicht unmittelbar in die Hand zu nehmen und die offensichtlichen Fehler aus dem ersten Verfahren schnell auszuräumen“. Die Nebenkläger hätten offenbar weder Genugtuung noch Schutz zu erwarten, „geschützt werden dort Neonazis“, sagt Adam. Sein Kollege Rasmus Kahlen, der den zweiten Journalisten vertritt, kritisiert eine „Verschleppung des Verfahrens“. Sieben Jahre nach dem Überfall sei „ein gerechtes Urteil einer Jugendstrafkammer in Mühlhausen nicht mehr zu erwarten“. Das Verhalten der Justiz führe dazu, dass es die Anwälte nun offenlassen, ob die Nebenklage an einer Neuauflage des Prozesses teilnehmen wird. (…) Der BGH attestierte dem Gericht später Rechtsfehler und eine mangelnde „Gesamtwürdigung aller Indizien“. Die Schuldsprüche hatten im September 2022 bundesweit für massive Kritik gesorgt. Rechtsanwalt Adams nannte das Urteil „entsetzlich“, es verharmlose „eine Gewalttat, mit der Neonazis eine No-Go-Area für Journalisten schaffen wollten.“ Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion im Thüringer Landtag, sprach von einem Skandalurteil und Justizproblem in Thüringen. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion in der Gewerkschaft Verdi erklärte, das Urteil sende „das fatale Signal an die rechtsextreme Szene, dass diese ihren menschen- und demokratiefeindlichen Bestrebungen nachgehen kann, ohne dafür ernsthafte strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.“
via endstation rechts: BRUTALER ANGRIFF AUF FOTOGRAFEN „Geschützt werden Neonazis“

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