Es ist nur ein kurzes Handyvideo, das den Vorfall vom Juni 2021 zeigt. Eine Person mit weißer Kutte und spitzem Hut, die an den rassistischen Ku-Klux-Clan aus den USA erinnern, geht die Stufen zum Bahnhof Seehausen in der Altmark hinauf. Schüsse sind zu hören, wie aus einem Maschinengewehr. Über die Gleise hinweg schießt die Person auf eine Gruppe junger Menschen, die sich an dem verlassenen Bahnhof aufhält: Klima-Aktivisten, die gegen den Weiterbau der A14 protestieren. Mindestens 20 Schüsse sind es, sie stellen sich als Schüsse einer Paintball-Waffe heraus. Drei Personen werden leicht verletzt. Am Freitag wurden drei Angeklagte am Landgericht Stendal verurteilt. Der Hauptangeklagte, der die Schüsse abgegeben hatte, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die beiden Mitangeklagten, die nach Ansicht des Gerichts die Tat filmten und das Fluchtauto fuhren, bekamen eine Geldstrafe in Höhe von 4000 Euro, sowie wegen Vorstrafen eine Haftstrafe von elf Monaten. Den Angeklagten sei es darum gegangen, die Aktivisten aus der Region zu vertreiben, begründete die Richterin das Urteil, “wenn nötig auch mit Gewalt”. (…) Der 33-jährige Video-Filmer, der ein äußerst langes Vorstrafenregister mit zahlreichen Haftstrafen vorzuweisen hat, hatte das Video unmittelbar nach der Tat an einen Freund geschickt. Dieser verbreitete es weiter. Es wurde tausendfach in den sozialen Medien geklickt. Täter-Trio via WhatsApp aufgespürt Nur über diesen Freund des Täter-Trios war die Polizei später überhaupt auf die Angreifer gekommen. Über ein anderes Strafverfahren bekam die Polizei Einblick in dessen WhatsApp-Chats. Dort tauchten die drei Angeklagten auf, allerdings immer nur mit den Spitznamen “Watzi”, “Ratzi” und “Ekli”. Die Polizei hatte dagegen vom Angeklagten-Trio keine Handys beschlagnahmt, dies wurde im Prozess von einem Nebenklage-Vertreter bemängelt. (…) Im Übrigen spielte die Ku-Klux-Klan-Kutte des Paintball-Schützen im Prozess keine wesentliche Rolle. Die Kutte konnte ohnehin auch bei Hausdurchsuchungen des Angeklagten-Trios nicht aufgefunden werden. Ein rechtsextremer Hintergrund der Angeklagten konnte nicht festgestellt werden, obgleich der Nebenklage-Vertreter, Rechtsanwalt Peer Stolle, die politische Dimension des Angriffes vom Gericht gewürdigt haben wollte. (…) In den Chatnachrichten geht es um “Zecken”, um Munition mit Stahlkern, um Gewaltfantasien. Bei einem der Angeklagten wird eine “Bombenwerkstatt” gefunden, wie ein Polizist während des Prozesses darstellt. Es soll nach Informationen der Ermittlungsbehörden auch eine “Verbindungsperson zwischen AfD-Funktionären und den gewaltbereiten Rechtsextremen” geben. Die Nebenklage sprach daher explizit von einer “rechtsextremen Gruppierung”, die Tat wird auch vom Innenministerium als rechte politische Straftat bewertet. Verhandelt wurden jetzt nur die Schüsse mit der Paintball-Waffe. Um eine Bombenexplosion, bei der niemand verletzt wurde, geht es demnächst noch in einem weiteren Verfahren.

via mdr: Kriminalität – Seehausen (Altmark) : Urteil im “Ku-Klux-Klan”-Prozess