Bei Weißwein und Rindercarpaccio verrät Ex-Minister Dirk Niebel im exklusiven China Club, wie er Unternehmen die Tür zur Regierung öffnen kann. Was er nicht ahnt: Ihm gegenüber sitzen keine potentiellen Kund:innen. An einem Donnerstag im November, kurz nach 17 Uhr, wird der Zugang zur Regierung verhandelt. Drei Männer und eine Frau wollen die Modalitäten klären. Sie haben sich in einem exklusiven Restaurant nahe dem Kanzleramt verabredet. Draußen ist es schon dunkel, im Restaurant brennt warmes Licht und der Tisch ist fein gedeckt. (…) Dinge, die in Runden wie dieser besprochen werden, dringen in der Regel nicht an die Öffentlichkeit. Bei solchen Gesprächen geht es um eine Dienstleistung der besonderen Art. Es geht darum, Kontakte zu mächtigen Personen herzustellen – zu Abgeordneten, zu Minister:innen, zum Bundeskanzler. Das ist grundsätzlich nicht verboten. Aber dass man besonders leicht einen Termin bei einem Politiker oder einer Politikerin bekommt, wenn man dafür Geld bezahlt, widerspricht den Grundprinzipien der Demokratie. (…) Von 2009 bis 2013 saß Niebel selbst in der Regierung, als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dann flog die FDP aus dem Bundestag und Niebel wurde Lobbyist. Beim Rüstungskonzern Rheinmetall leitet er den Bereich „Internationale Strategieentwicklung und Regierungsbeziehungen“. Außerdem betreibt er eine Beratungsfirma in Berlin. (…) Unser Anliegen sei eine „politische Flankierung dieses Investitionsvorhabens“, bei der Niebel mit seinem Netzwerk helfen solle. „Ihr guter Name öffnet sicher Türen, die uns Luxemburgern bisher verschlossen geblieben sind“, schrieben wir. Keine zwei Stunden später mailt Niebel zurück: „Gerne können wir uns treffen.“ Er bringe einen Geschäftspartner mit. Mit dabei: ein weiterer Vollprofi im Anbahnen von Kontakten Nun also sitzt man zu viert im italienischen Restaurant Medinis im China Club: Niebel, sein Begleiter und die beiden vermeintlichen Lobbyist:innen aus Luxemburg. Der Mann, den Niebel mitgebracht hat, ist wie er Vollprofi im Anbahnen von Kontakten. Er ist geschäftsführender Gesellschafter einer Beratungsfirma, die auf ihrer Internetseite damit wirbt, Treffen mit Abgeordneten und Regierungsmitgliedern arrangieren zu können. Wie das funktioniert, veranschaulicht er an einem Beispiel. Einer seiner Kunden, ein Lobbyverband, habe sich lange Zeit an der Grünen Renate Künast die Zähne ausgebissen. Die ehemalige Ministerin ist noch immer eine einflussreiche Frau in Berlin. Sie leitet die Arbeitsgruppe für Ernährung und Landwirtschaft in der grünen Bundestagsfraktion, an ihr führt kein Weg vorbei, wenn es um Verbraucherthemen geht. Doch so sehr es der Verband auch versuchte: ein Treffen sei nie zustande gekommen. Demnächst bekomme er aber seinen Termin, sagt Niebels Begleiter. Und das sei so gekommen: Ein Kollege aus seiner Agentur kenne Künast aus der Kommunalpolitik. Der habe das Treffen für den Verband klargemacht. Künast wird später auf Anfrage erklären, dass diese Darstellung nicht zutreffend sei. Niebels Begleiter erklärt den beiden Gästen aus Luxemburg, wie seine Agentur aufgestellt ist: Es gebe einen grünen Partner, einen roten, einen schwarzen und einen gelben. Damit seien vier der wichtigsten Parteien abgedeckt. (…) Niebels Beraterdienste haben ihren Preis. Sein Tagessatz, erzählt er, liege in der Regel bei 2.500 Euro plus Spesen und Reisekosten. Ein Gespräch mit einem Minister oder einer Ministerin soll es sein Der Abend im China Club neigt sich dem Ende entgegen. Die Kellnerin bringt Pralinen. Die vermeintlichen Lobbyist:innen haben den Wunsch geäußert, mit einem Minister oder einer Ministerin sprechen zu wollen. Und Niebel und sein Begleiter haben durchblicken lassen, dass das grundsätzlich machbar sei. Damit steht einem Vertragsabschluss nichts mehr im Wege. Vier Tage nach dem Treffen schickt Niebels Geschäftspartner ein Angebot. Niebel erhält es in Kopie an seine private Mailadresse. Der Abend im China Club hinterlässt keine Spuren Die Agentur bietet an, das Mandat für das gesamte Jahr 2024 zu übernehmen. Kostenpunkt für das Gesamtpaket: 187.200 Euro
via abgeordnetenwatch; Lobbyist Dirk Niebel – Kleine Schweinereien