Bei einer Demonstration gegen Rechts steuert ein Mann sein Fahrzeug in die Menge und verletzt drei Menschen schwer. Im Prozess widerspricht ein Zeuge dem Fahrer. Kiel – Der Mann spricht leise, immer wieder kommen ihm die Tränen. „Er hätte einfach wegfahren können“, sagt der 29-Jährige. „Aber er hat in keiner Sekunde gestoppt oder gezögert. Wie in einem Computerspiel. Sie hatte keine Chance.“ Im Oktober 2020 wurde seine frühere Lebensgefährtin am Rande einer Kundgebung gegen die AfD im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg von einem damaligen Mitglied der Rechtsaußen-Partei angefahren und schwer verletzt – absichtlich, das glaubt nicht nur ihr Ex-Freund, sondern auch die Staatsanwaltschaft. Wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags muss sich Melvin S. seit Anfang Juli vor dem Landgericht in Kiel verantworten. Anklage wegen versuchten Totschlags: Direkt auf junge Frau zugefahren Statt einfach wegzufahren, soll der heute 22-Jährige, nachdem er und seine drei Begleiter von der antifaschistischen Kundgebung ausgeschlossen worden waren, den tonnenschweren Pick-up seiner Mutter gezielt auf den Bürgersteig gelenkt und auf vier Protestierende zugehalten haben. Drei von ihnen traf er. Nur der Mann, der am Mittwoch als erster Nebenkläger in den Zeugenstand tritt, konnte sich mit einem Sprung retten. Fast atemlos erzählt der Student, wie Melvin S. das Auto „superkontrolliert und galant“ auf den Gehsteig gesteuert habe. Wie das erste Opfer zur Seite geschleudert worden sei. Wie der Angeklagte danach „einfach durchbeschleunigt“ habe, mit aufheulendem Motor, und auf die Freundin, eine Person of Color, zugefahren sei. Er habe sogar extra noch einen Schlenker gemacht habe, um sie zu treffen. „Ich sehe sie da liegen. Und ich denke sofort, dass sie tot ist.“
via fr: Auf Menschenjagd mit dem Pick-up: Ex-AfD-Mann vor Gericht
siehe auch: In AfD-Gegendemo gerast: „Ich dachte sofort, sie ist tot“. (…) Fest steht: Ein heute 22-Jähriger aus Föhrden-Barl, saß am Steuer eines VW Amarok, als das Fahrzeug auf dem Gehweg an der Beckersbergstraße kurz nach einer AfD-Veranstaltung in mehrere Gegendemonstranten fuhr. Der unter anderem wegen versuchten Totschlags angeklagte Mann war Anfang Juli beim Prozessbeginn umfangreich befragt worden und hatte dabei eine deutliche Nähe zum Rechtsextremismus offenbart – und auch seine kurz nach dem mutmaßlichen Angriff beendete AfD-Mitgliedschaft bestätigt. (…) Vielmehr gingen die jungen Männer zu zwei Autos, teilten sich dort auf. „Der Angeklagte ist zur Fahrerseite gegangen“, so der Zeuge. „Für mich war die Situation beendet. Ich dachte, dass die nach Hause fahren.“ Im nächsten Moment rollte der mit Außenspiegeln 2,21 Meter breite Amarok auf den Fußweg. „Der passte gerade so rauf. Dann wurde durchbeschleunigt, ich habe den Motor aufheulen hören und gesehen, dass eine Person getroffen und zur Seite geschleudert wurde.“ Gas gegeben habe der Fahrer erst auf dem Gehweg. Der Zeuge war da nach eigener Einschätzung rund 100 Meter entfernt – auf halber Strecke wurden die ersten Personen von dem Pick-Up getroffen. „Er ist sehr, sehr schnell gefahren, hat kein Mal gestoppt.“ Das Tempo schätzt er auf „30 bis 40 km/h“. Was er da dachte? „Dass er uns töten wollte. Ich hatte das nicht kommen sehen. Daneben war die Straße, er hätte einfach wegfahren können.“