Reichsbürger Ingo K. soll versucht haben, mehrere Polizisten zu erschießen. Der Prozess gegen ihn zeigt, wie die Szene ihre enorme Gewaltbereitschaft rechtfertigt. Der Mann, der einen Bart und Zopf aus grauschwarzem Haar trägt, muss hinter einer Glaswand sitzen. Mit Hand- und Fußfesseln wird Ingo K. in den Sitzungssaal 2 am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim geführt. Die Fesseln werden abgenommen, ein Polizist beaufsichtigt ihn. Die Vorwürfe gegen den 55-Jährigen: versuchter Mord, Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, zahlreiche Verstöße gegen das Waffenrecht. Auf der Anklagebank wirkt er erstaunlich gelassen. Bis zum Frühjahr vergangenen Jahres bewohnte K. einen Bauernhof in Bobstadt, einem 400-Seelen-Dorf im Nordosten Baden-Württembergs. In dem Hof sah er ein “eigenständiges und nicht der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unterworfenes Gebiet”, wie die Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift gegen ihn schreibt. K. ist Reichsbürger. Im April 2022 soll er auf zwei Polizisten geschossen haben, die auf dem Gelände seine Waffe einziehen wollten. K., darauf deutet alles hin, wähnte sich mit den Schüssen im Recht – und auf seinem Hof nicht mehr in Deutschland. Anhänger der Reichsbürger-Ideologie glauben, die Bundesrepublik Deutschland sei bloß eine Firma, stattdessen existiere das Deutsche Reich fort. Eine Ansicht, die wieder und wieder in einen fatalen Ausgang mündet. Entwaffnung und Eskalation Bei K. war im vergangenen Jahr ein Spezialeinsatzkommando angerückt, um seine Waffe einzuziehen. Als ein Beamter den Rollladen der Terrassentür mithilfe eines Trennschleifers öffnen wollte, soll der Bewohner mit einem Schnellfeuergewehr durch den Rollladen geschossen haben. Der Polizist wurde an den Beinen getroffen. Einen Kollegen trafen Projektile in die Schutzkleidung. Mehrfach soll Ingo K. die Position in seiner Wohnung gewechselt haben, um die 14 SEK-Beamten zu erschießen. Erst nach zwei Stunden verließ er die Wohnung