In deutschen Leitmedien werden arabischer Eingewanderte durch kulturalisierende Clan-Zuschreibungen aus dem „deutschen Wir“ herausdefiniert und als Kriminelle dargestellt. Das wirft falsche Fragen auf. Im Februar veröffentlichten Wissenschaftler:innen des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Aufsatz zu ihrer Studie über die mediale Darstellung „krimineller arabischer Clans“. Die diskursanalytische Untersuchung bereichert die Debatte um die im öffentlichen Diskurs fehlende rassismuskritische Dimension und hat das Potenzial, Diskriminierung und Stigmatisierung entgegenzuwirken. (…) In der im Februar, kurze Zeit nach dem Podiumsgespräch veröffentlichten Studie der Berliner Humboldt-Universität „The ‚Arab Clans‘ Discourse: Narrating Racialization, Kinship, an Crime in German Media“ finden sich keine Antworten für das angesprochene Referat. Die diskursanalytische Untersuchung von Özgur Özvatan, Bastian Neuhauser und Gökçe Yurdakul hilft im Gegenteil dabei, Fragen und Themen richtigzustellen. Seit gut zehn Jahren beobachten die Autor:innen, dass in den Medien bestimmte Gruppen arabischer Eingewanderter als „arabische Clans/Großfamilien“ bezeichnet, durch kulturalisierende Zuschreibungen aus dem „deutschen Wir“ herausdefiniert und als kriminell agierender Verwandtschaftsverband dargestellt werden. Um diesen Diskurs genauer charakterisieren zu können, analysierten Özvatan, Neuhauser und Yurdakul computergestützt knapp 24.000 Artikel aus der Bild-Zeitung, der ZEIT, der Süddeutschen und der Tageszeitung, der Welt, dem Stern, Spiegel und Focus (die FAZ war nicht zugänglich) unter der Fragestellung, in welchen Zusammenhängen der Ausdruck „Clan“ auftaucht und welche weiteren Begriffe ihn begleiteten. Im Anschluss daran wurden 97 Textpassagen einer tiefergehenden Betrachtung unterzogen, um die Themen, Argumentationen und Narrationen herauszukristallisieren. Die Studie bildet mit ihrem rassismuskritischen Ansatz und dem Fokus auf „Clan-Kriminalität“ als (auch) mediales Konstrukt einen Meilenstein für eine seriöse Auseinandersetzung. Erklärungsbedürftig: Die Verbindung von „Clans“ mit „Kriminalität“ Der Ansatz der Forscher:innen kann für viele irritierend sein: Die Fragen lauten nicht ‚welche Clans gibt es, wie funktionieren sie, welche Straftaten haben sie begangen, wie viele der Angehörigen sind kriminell, welche Rolle spielt ihre Herkunft und Kultur dabei, wie gefährlich sind sie und was können wir dagegen tun‘? Im Gegenteil, es ist die gedankliche Verknüpfung von „arabische Clans/Großfamilien“ mit „Kriminalität“, die den Autor:innen erklärungsbedürftig erscheint und untersucht werden soll. Dabei wirken schon die Begriffe „Clan“ und „Großfamilie“ selbst unterschwellig als der deutschen Kultur und Lebensweise fremd, so dass die mediale und polizeiliche Konstruktion der „Clan-Kriminalität“ selbst bereits eine Erzählung enthält: Es sind Ausländer:innen, die durch spezifische Kriminalität eine Gefährdung nach Deutschland tragen.

via migazin: RASSISTISCHE KONSTRUKTION „Kriminelle Clans“ in deutschen Leitmedien