Der 16-Jährige Mouhamed Dramé soll vor den tödlichen Polizeischüssen im August in Dortmund nicht von den eingesetzten Polizeibeamten gewarnt worden sein. Auch der Einsatz von Reizgas und Elektroschocker ist nach exklusiven WDR-Informationen von den Polizisten offenbar nicht angekündigt wordenAm Einsatz beteiligte Polizisten haben ausgesagt, dass Mouhamed zu keinem Zeitpunkt aggressiv gewesen sei. Erst nachdem der Einsatzleiter angeordnet hat, den 16-Jährigen mit Pfefferspray zu anzugreifen, ist die Situation eskaliert. Und zwar innerhalb von Sekunden. Hätte Mouhamed gewarnt werden müssen? Aus dem Dortmunder Polizeifunkverkehr vom 08. August geht hervor, dass zwischen dem Einsatz des Pfeffersprays und den fast zeitgleichen Taser- und Maschinenpistolen-Schüssen nicht einmal 20 Sekunden lagen. Und das, obwohl Mouhamed bis dahin ruhig in einer Ecke saß, keine anderen Menschen bedroht hatte. Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes sagt, dass Mouhamed in dieser Situation nicht gefährlich für die Polizisten war. Dass der Junge dann ohne Vorwarnung angegriffen worden sei, sieht Feltes sehr kritisch: “Damit wurden wichtige Standards beim Einsatz von Pfefferspray, Taser oder auch der Schusswaffe verletzt. Vor allem wenn eine Schusswaffe eingesetzt wird, muss entsprechend davor gewarnt werden, muss gegebenenfalls ein Warnschuss abgegeben werden, die Zeit dafür war hier vorhanden.” Das Argument, das musste alles sehr schnell gehen, gelte in diesem Fall nicht, so der Jurist: “Denn der Jugendliche konnte weder fliehen, noch hatte er die Absicht zu fliehen. Mouhamed war keine Gefahr für die Beamten, das haben sie auch erkannt und mussten sie auch erkennen.” Eskalation erst durch Einsatz von Pfefferspray Mouhamed Dramé Das lassen auch Aussagen von beteiligten Polizeibeamten vermuten. Dort heißt es nach WDR-Informationen unter anderem, dass Mouhamed gesessen und seine Position nicht verändert habe. Der Einsatzleiter habe die Anweisung gegeben, Mouhamed mit Reizgas anzugreifen. Ein Polizist sagt aus, dass er kein aggressives Verhalten von Mouhamed wahrgenommen habe. Ein anderer glaubt, dass der 16-jährige die Polizei vor dem Einsatz des Pfeffersprays gar nicht bemerkt hat, weil er die ganze Zelt nach unten geschaut habe. Auch Lisa Grüter, die Anwältin von Mouhameds Familie, sagt, dass die Situation erst durch den Einsatz des Pfeffersprays eskaliert sei. Bis dahin sei die Lage völlig ruhig und statisch gewesen, Mouhamed sei plötzlich von der Polizei mit Pfefferspray eingesprüht worden: “Ohne Vorwarnung, ohne Androhung. Und dann reagiert er darauf, in dem er sich aufrichtet und umguckt, was da überhaupt passiert ist.” Dann habe er den einzig möglichen Weg eingeschlagen, der ihm offen stand: “nämlich auf die Beamten zu, die dort mit Waffen auf ihn gewartet haben.” Keine 20 Sekunden später fallen die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten, der genau dort gestanden hat.

via wdr: Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: 16-Jähriger wurde offenbar nicht gewarnt