Die „Junge Tat“ präsentiert sich als hip und heimatverliebt. Die Führungsregie stammt aber aus der waffenaffinen Neonazi-Szene der Schweiz. Ein Porträt. Mit Sturmhauben oder Bengalos: In den sozialen Medien zeigt sich die „Junge Tat“ kämpferisch (Quelle: Videostill/Telegram) Das Ziel der Aktion ist eine Vorlesestunde für Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren. Mit Rauchfackeln und rechtsextremen Parolen stören vermummte Neonazis die Veranstaltung am 16. Oktober im Tanzhaus Zürich. „Familie statt Gender-Ideologie“, steht auf ihrem Transparent. Auch dabei: Flyer, ein Megafon und eine Kamera, um die Störung aufzunehmen. Es ist die jüngste Aktion der Neonazi-Gruppe „Junge Tat“ aus der Schweiz. Eine Provokation, die hauptsächlich für die sozialen Medien gedacht ist. Anlass ist die „Drag Story Time“. Seit vier Jahren lernen dort Kinder von Dragqueens und -kings über Diversität, Toleranz und Inklusion, über Geschlechteridentitäten, Genderrollen – und wie vielfältig sie sein können. Für die „Junge Tat“ ist die Veranstaltung ein Dorn im Auge, ein „dekadentes Treiben“, wie die Gruppe später auf dem Messengerdienst Telegram schreiben wird. Ihre Aktion will eine „ästhetische Intervention“ gegen „Gendermainstreaming“ und den „woken Wahnsinn“ sein. Die tatsächliche Bilanz: Kinder werden eingeschüchtert. „Unsere Gäste wurden massiv gestört und erschreckt“, schreibt das Tanzhaus in einem Statement. „Die Tatsache, dass ausgerechnet eine Veranstaltung für Familien angegriffen wurde, entsetzt uns umso mehr“, heißt es weiter. Hip und heimatverliebt Mit solchen Aktionen versucht die „Junge Tat“ zurzeit, eine rechtsextreme Jugendbewegung in der Schweiz aufzubauen. Sie präsentiert sich als eine Art „Identitäre Bewegung 2.0“: hip und heimatverliebt, Social-Media-affin und kampfsporterprobt. „Sport, Tat, Bildung“ – so lauten die drei Grundsätze der Gruppe. (…) Die Sprache der „Jungen Tat“ erinnert an die der sogenannten neuen Rechten: „Remigration statt Indoktrination“, heißt es etwa auf einem Banner gegen einen Imam, der an einer Schweizer Schule unterrichtet. Oder sie macht Werbung für die identitäre „Gegen-Uni“ und den neurechten „Jungeuropa Verlag“ um Philip Stein. Zum rechtsextremen Medienkollektiv „Kvltgang“, aus dem das Studio „Kvltgames“ samt rechtsextremem Computerspiel „Heimat Defender“ hervorgegangen sind, gibt es ebenfalls eine Verbindung: Der 19-jährige Zürcher Moritz F., bekannt unter dem Pseudonym „Spooky“, ist Teil vom „Kvltgang“ und aktiv bei der „Jungen Tat“. Auch Musik vom „Kvltgang“ oder dem neurechten Rapper „Komplott“ kommt in Videos der „Jungen Tat“ vor. (…) Hinter der neurechten Rhetorik und Hochglanz-Videos der „Jungen Tat“ stecken altbekannte Neonazis. Die „Junge Tat“ ging aus den neonazistischen Gruppen „Eisenjugend Schweiz“ und „Nationalistische Jugend Schweiz“ hervor, über die Belltower.News bereits berichtete. Im Dezember 2019 tritt die „Eisenjugend“ erstmals in Erscheinung. Sie versteht sich als Schweizer Arm der US-amerikanischen Neonazi-Gruppe „Iron Youth“. Aber auch die Ästhetik und das Auftreten der rechtsterroristischen „Atomwaffen Division“ dürfte ein Vorbild gewesen sein. Eindeutiges Ziel der „Eisenjugend“: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern“ – die „14 Words“ von David Lane. Im Zentrum der „Eisenjugend“-Ideologie stehen NS-Verehrung, weiße Vorherrschaft und der kommende Rassenkrieg. „Die Juden, die Schwarzen und die Bürokratie würden bei einem Bürgerkrieg sehr schnell den Tod sterben, den sie reichlich verdient haben“, heißt es etwa auf ihrem Telegramkanal, der inzwischen gelöscht wurde. In Propagandavideos posieren Mitglieder maskiert und schwer bewaffnet. In einem brennt ein Vermummter die Flaggen Israels und der Europäischen Union. Die „Eisenjugend“ teilt auch das Manifest des rechtsterroristischen Christchurch-Killers – als Leseempfehlung, da es „hochaktuelle Themen“ behandle.

via belltower: Schweiz JUNGE TAT, ALTBEKANNTE NAZIS