Russlands abgeschalteter Propagandasender RT hat einen Nachfolger: Das Portal AUF1 verfolgt eine aggressive Taktik fern aller journalistischer Standards. Als sich Ende Juni in Berlin knapp 100 Verschwörungsgläubige zu einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor versammeln, schweben blaue Luftballons über ihren Köpfen. Ein Livestream zeigt Dutzende dieser Ballons mit dem Logo der rechten Medienplattform AUF1. Die Kamera schwenkt auf einen Transporter, auch darauf das Emblem des Senders. In der Querdenkerszene ist das Mobil schon seit einigen Monaten als Impfbus bekannt. Doch in dem Bus wird niemand gegen Corona geimpft, vielmehr soll rechte Propaganda im deutschsprachigen Raum unter die Menschen gebracht werden. Kurz nach dem Start von AUF1 ging der Transporter erst auf Österreich- und dann auf Deutschlandtour. Auf Demonstrationen und Kundgebungen kam er als Infomobil zum Einsatz. AUF1 bezeichnet sich selbst in erster Linie als Fernsehsender. Einen eigenen Kanal betreibt die Medienplattform nicht, veröffentlicht hauptsächlich auf Videoportalen der verschwörungsideologischen Szene und auf YouTube. Der Duktus in den Videos strotzt nur so vor Schwurbler-Rhetorik, wenn etwa von “den öko-kommunistischen linken Globo-Homo-Eliten” die Rede ist, die eine “neue Weltordnung” einführen wollten. Ersatz für abgeschaltete Russland-Propaganda Thesen, die bei der entsprechenden Kundschaft gut ankommen. Reichsbürgerinnen, Rechtsextreme und Verschwörungsgläubige hatten in der Vergangenheit gerne den russischen Kanal RT eingeschaltet, der seine Inhalte mehr oder weniger direkt aus der Propagandaabteilung des Kremls bezog. Zudem hatte der Sender Szenedemonstrationen live und meist unkommentiert begleitet. Linke wie rechte Akteure, die sich als Systemgegner sahen, hatten einen festen Platz im Sendeprogramm als Interviewpartner und Studiogäste.
via zeit: Aktivismus statt Journalismus
siehe auch: Rechter TV-Sender expandiert :Desinformation aus Österreich Der rechtsextreme TV-Sender AUF1 will nach Deutschland expandieren. Experten warnen vor Verschwörungstheorien und Propaganda. So schließt sich ein Kreis: „AUF1 setzt zwar auf Video, wirkt aber vom Inhalt und den Narrativen her wie ein österreichisches Pendant zum Compact-Magazin“, schrieb Belltower.News, ein Portal der Amadeu-Antonio-Stiftung, Ende vergangenen Jahres über den damals erst wenige Monate alten „neuen Stern am ‚Alternativmedien‘-Himmel“. Jetzt kündigte der Sender AUF1 an, seine Expansion nach Deutschland voranzutreiben. Eine feste Redaktion in Berlin soll demnach aufgebaut werden. Als „Deutschland-Korrespondent“ wurde Martin Müller-Mertens berufen, der langjährige TV-Chef des rechtsextremen Compact-Magazins. Ob und wie sich diese Ausdehnung in eigenen Sendeformaten für Deutschland abbildet, wie sie der Querdenker-nahe österreichische Sender Servus TV bereits hat, ist noch unklar. In Österreich selbst hatte die Medienbehörde die Programme des Senders zu Beginn des Jahres wegen möglicher Verstöße unter die Lupe genommen. Sicher ist, dass auch AUF1 die Verbreitung seiner Botschaften in Deutschland vorantreiben will. Der sogenannte „Impfbus“ von AUF1– ein blauer Kastenwagen mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang!“ – ist nach Angaben des Mediums in diesen Wochen „in Berlin und Norddeutschland“ unterwegs, um „mit der Wahrheit zu impfen“. Aus Berlin will Müller-Mertens, wie er in einem kurzen Videointerview mit dem rechtsradikalen Senderchef Stefan Magnet kundtat, nicht nur aus dem Bundestag berichten. Er will vor allem den „Druck der Straße“ abbilden, „denen eine Stimme geben, die von den etablierten Medien weggeschnitten werden“. Auf dem Telegram-Kanal von AUF1 mit seinen mehr als 205.000 Abonnenten – vor einem Jahr lag die Zahl bei weniger als der Hälfte – werden die Stichworte dafür regelmäßig genannt, vom „Asyl-Tsunami“ bis zur „Coronaplandemie“ oder wahlweise der „Coronadiktatur“.