Xavier Naidoo ging gegen eine Kritikerin vor – und bekam zunächst recht. Nun entschied das Bundesverfassungsgericht. Ein Kommentar. Selbstverständlich ist Xavier Naidoo ein Antisemit. Wer daran zweifelt, hat einfach nicht gelesen, was der Sänger auf Telegram schreibt. Naidoo behauptete dort etwa, „Lügen, Hochverrat, Bestechung und Erpressung” lägen in der “Art und Lebensweise der Juden”. Den “Zentralrat der Juden” beschimpft er als “Zentralrat der Lügen”. Laut Naidoo sind alle hellhäutigen Juden Betrüger. Er schreibt in seinem Kanal Sätze wie „Ich kann den sogenannten Juden nichts mehr glauben” oder “Ziemlich viele Juden in diesen Kinderschänder-Dreck verwickelt”. Dass sich das Bundesverfassungsgericht an diesem Mittwoch überhaupt ernsthaft mit der Frage befassen musste, ob man den Antisemiten Xavier Naidoo einen Antisemiten nennen darf, liegt allein daran, dass die konkrete juristische Auseinandersetzung auf einen Vorfall im Juli 2017 zurückgeht und Naidoo seine Ansichten damals noch nicht so schamlos äußerte wie heute. Nach einem Vortrag über Reichsbürger war eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung um ihre Einschätzung zu Naidoo gebeten worden, und sie hatte ihren Antisemitismus-Vorwurf mit dessen Songtexten begründet. Die wiesen in der Tat schon damals deutliche antisemitische Denkmuster und Codes auf, waren aber eben noch nicht so plump formuliert wie seine späteren Aussagen auf Telegram. (…) Es ist sehr gut, dass Karlsruhe das Nürnberger Urteil nun aufgehoben hat. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen. Die Rechtssicherheit, Naidoo einen Antisemiten nennen zu dürfen, hat der Sänger in der Zwischenzeit allerdings längst selbst geschaffen.

via tagesspiegel: Bundesverfassungsgericht kippt Urteil zu Xavier Naidoo – Der Antisemit, der nicht Antisemit genannt werden wollte

siehe auch: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung der Bezeichnung eines Sängers als Antisemiten. Beschluss vom 11. November 2021
1 BvR 11/20
. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen von Fachgerichten, denen eine zivilrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Unterlassung einer Äußerung zugrunde lag, aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an die Fachgerichte zurückverwiesen. Die Beschwerdeführerin bezeichnete einen bekannten deutschen Sänger im Rahmen eines Fachvortrags zum Thema Reichsbürger unter anderem als Antisemiten. Die Beschwerdeführerin wurde anschließend vor den Fachgerichten dazu verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die getätigte Behauptung aufzustellen oder zu verbreiten. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil die Fachgerichte insbesondere keine konkrete Sinndeutung der Äußerung der Beschwerdeführerin vorgenommen haben, um die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers des Ausgangsverfahrens klären zu können. Darüber hinaus verkennen sie im Ergebnis die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit im öffentlichen Meinungskampf; Bundesverfassungsgericht: Xavier Naidoo durfte Antisemit genannt werden. Eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung bezeichnete den Musiker Xavier Naidoo als Antisemiten. Zu Recht? Ja, hat jetzt das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Der Popsänger Xavier Naidoo durfte in einem wissenschaftlichen Vortrag als Antisemit bezeichnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch einen entsprechenden Beschluss vom 11. November veröffentlicht