Teile der sogenannten Corona-Protestbewegung sind längst gewaltbereit. Hat ein Mann aus Franken einen Anschlag auf eine ICE-Strecke verübt? (…) Neben dem Radweg, mitten auf den Gleisen, einer zu der Zeit auch von ICEs genutzten Trasse, steht ein wackelig gezimmerter Rahmen aus Holzlatten, etwa ein Meter fünfzig hoch. Darauf ist ein weißes Tuch gespannt, in signalroter Farbe steht darauf geschrieben: „Diesesmal FAKE“. Eine Botschaft? Eine Drohung? Ein Verweis auf ein nächstes Mal? Ronny Sauer steigt in das Gleisbett und macht ein Foto. Er baut das Hindernis ab, fährt nach Hause und ruft bei der örtlichen Polizeiwache an. Zehn Minuten später bekommt er einen Anruf von der Bundespolizei, ob er noch mal zum Fundort kommen könne, erzählt er im März der taz. Die Polizei ist im Großeinsatz. Das Plakat, das Sauer gefunden hat, war nicht das einzige. Ein paar Kilometer weiter fährt ein ICE in ein ähnliches Hindernis. Der Zugführer leitet eine Notbremsung ein, der Triebwagen wird beschädigt, Bahnpersonal und Reisende bleiben unverletzt. Wegen der Botschaften auf den Plakaten, die zusammengenommen womöglich einen Satz ergeben, halten die Er­mitt­le­r*in­nen die Tat für politisch motiviert. Eine Sonderkommission wird einberufen, der Tatbestand: „Gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr“. Länderübergreifend radikal Seit Wochen haben sich Angehörige der Corona-Protestbewegung auf Telegram auf ihren „D-Day 2.0“ vorbereitet, in lokalen Gruppen vernetzt, Aktionen geplant und Stimmung mit NS-Vergleichen und Verschwörungserzählungen gemacht. „Waltraud xxx“ schreibt: „Bedenkt immer wieder: Wir müssen aufpassen, dass wir, ja wie soll ich uns nennen, die ‚Erwachten‘ nicht in Krieg mit den ‚Noch-Nicht-Erwachten‘ treten, das ist ja genau, was die da oben wollen.“
Diese Radikalisierung der Proteste gegen die Coronapolitik findet auch außerhalb Deutschlands statt: In Österreich nannte Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen bei seinem Rücktritt am Dienstag vor einer Woche neben gesundheitlichen Problemen auch die Bedrohung durch Coronaleugner als einen Grund, weshalb er sich aus der Politik zurückziehe. Seit vergangenem November stand er wegen Morddrohungen unter Polizeischutz. Für ihn war seit dem Herbst „spürbar, dass die Aggressivität zugenommen hat von einem kleinen Bereich der Corona­leugner“, sagte Anschober bei seinem Rücktritt. Die zunehmende Aggressivität der Coronaleugner zeigt sich in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien auch im öffentlichen Raum. Das Wien-Museum zeigte auf Bauzäunen am Karlsplatz im Zentrum der Stadt eine Ausstellung mit Porträts von 18 Personen mit Maske, die in kurzen Texten zu den Bildern beschreiben, wie sie die Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erlebt hatten. „Wir haben schon damit gerechnet, dass es hie und da Beschmierungen geben wird, aber das ist völlig eskaliert“, sagt Ausstellungskurator Peter Stuiber. „Die Anti-Corona-Demonstranten, die sich regelmäßig am Karlsplatz trafen, fühlten sich davon total provoziert.“ Nach jeder Demo war die Ausstellung völlig zerstört. „Plandemic“ war auf die Bilder geschmiert, „und dazu Hakenkreuze, George-Soros-Beschimpfung und was es sonst noch alles an Antisemitismus und Weltverschwörung gibt“.

via taz: Radikalisierung einer Bewegung – :Der Staat als Endgegner