Ist der Blogger Don Alphonso dafür verantwortlich, dass Menschen, über die er schreibt, anschließend von Rechten bedroht werden? Jemandem, der von dieser Geschichte noch nie etwas gehört hat – und das gilt vermutlich für viele –, würde man das alles vielleicht so erklären: Es gibt einen Blogger, der sich Don Alphonso nennt und mit bürgerlichem Namen Rainer Meyer heißt. Meyer ist laut Wikipedia 54 Jahre alt, er hat im Internet viele Fans (ungefähr 43.000 Follower bei Twitter), und einiges deutet darauf hin, dass manche von ihnen rechtsextrem sind. Von 2009 bis 2018 bloggte er für die FAZ, inzwischen schreibt er für die Welt. Ohne selbst je in einen justiziablen Bereich zu geraten, lenkt Meyer die Aufmerksamkeit seiner Fans in seinen Artikeln und Tweets auf bestimmte Menschen, die er nicht zu mögen scheint. Diese Menschen – manchmal auch ihre Familien – sind dann teilweise über Jahre hinweg Beschimpfungen, Vergewaltigungs- und Morddrohungen ausgesetzt, mutmaßlich ausgehend von den mutmaßlich rechtsextremen Rainer-Meyer-Fans. Damit ist das Schema der Geschichte angedeutet, aber wirklich verstehen tut man sie erst, wenn man sich klarmacht, wen Meyer nicht mag und wer deswegen Meyer mag. Damit kommen wir zu den Themen, die Meyer beschäftigen, nämlich die linke oder auch “extremistische Szene”, die Grünen samt der “grünen Moralschickeria”, die sogenannte Identitätspolitik und die Cancel-Culture. Wichtig sind ihm auch: die “Zwangsgebühren” des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die “Relotiusmedien”, “medial verordnetes Mitläufertum und Klatschanweisungen” sowie “staatlich finanzierte NGOs und deren Propaganda”. Bauchschmerzen machen ihm außerdem: der “Reichshauptslum” (Berlin), in dem “kulturmarxistische (…) Merkelpartys” gefeiert werden (“Kulturmarxismus” ist ein antisemitischer Kampfbegriff der rechtspopulistischen Alt-Right-Bewegung). (…) Das hier skizzierte Themenset und seine Signalwörter sind anschlussfähig für rechtspopulistische bis rechtsextreme Erzählungen, sie funktionieren wie Codes, über deren Nennung man sich im Internet eine ganz bestimmte Klientel aufbaut. Das heißt: Selbst wenn Meyer seine angeblich sozialdemokratische, unideologische Gesinnung betont, selbst wenn er über Porzellan, Immobilientipps und seine Herkunft aus einer wohlhabenden Familie berichtet, scheinen seine Fans ganz genau zu wissen, welche Echoräume er beschwört, wenn er schreibt, wie er schreibt. (…) Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Rainer Meyers Zielpersonen, anders als er, häufig keiner Institution angehören, die sie schützen würde. Es handelt sich um eher junge Leute mit eher linken, feministischen, antirassistischen Ansichten, die häufig in den sozialen Netzwerken publizieren. (…) Immer wieder, so Wegener weiter, sei zu beobachten, dass sich die “Brandstifter” mit dem Verweis exkulpierten, sie seien für das Handeln ihrer Follower nicht verantwortlich. Dass das mit der Verantwortung nicht ganz so leicht ist, zeigte das Anti-Fake-News-Blog Volksverpetzer im Blick auf Rainer Meyer im November 2019: Durch eine Analyse von Meyers Community wies die Redaktion nach, dass der aktivste Teil seiner Follower der rechtsextremen, vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung nahesteht. Aktiv bedeutet hier, dass “44 % der auswertbaren Retweets von Don Alphonso-Tweets (…) von Accounts (kommen), die vorher bereits die rechtsextreme ‘Identitäre Bewegung’ retweetet haben”. Das erklärt, warum Meyers Tweets zu rechten Hasswellen geführt haben. Nun hat Twitter im Juli 2020 die Hauptaccounts der Identitären Bewegung gesperrt sowie einen großen Teil der ihr nahestehenden Accounts. Eine aktuelle Untersuchung des Volksverpetzers von Meyers Community zeigt aber, dass dessen Follower auch weiterhin sehr empfänglich für rechtsradikale Inhalte sind: Wenn Meyer twittert, stammen 47 Prozent der Retweets seiner Tweets von Absendern, die zuvor das Kampagnenprojekt “Ein Prozent” retweetet haben (das vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus geführt wird). 36 Prozent der Retweets basieren auf Accounts, die zuvor Björn Höcke retweetet haben, den Vorsteher des angeblich inzwischen nicht mehr existenten “Flügels” der AfD, den der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Insgesamt stammen 51 Prozent der Retweets von Meyers Tweets von Accounts, die vorher Höcke und/oder Ein Prozent retweetet haben. Mindestens die Hälfte der Retweets von Meyers Tweets, so der Volksverpetzer in seiner jüngsten Analyse, gehen auf Accounts zurück, die so rechtsradikal sind, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtete Zusammenschlüsse beziehungsweise deren Accounts retweeten. Neben seiner Tätigkeit für die Welt ist Meyer seit 2019 Mitglied in der Jury des “Medienpreises Parlament”, des Journalistenpreises des Deutschen Bundestages. Wer in dieser Jury sitzen darf, entscheidet Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Kommen wir damit also zum Schluss zu jenem Aspekt der Mechanik, der Meyer das verschafft, was Matthias Quent “öffentliches Renommee” nennt.
via zeit: Markierte Zielpersonen
siehe auch: WARUM TWEETS VON WELT-AUTOR DON ALPHONSO IMMER NOCH ZU HASS & MORDDROHUNGEN FÜHREN. Wenn der WELT-Autor Don Alphonso twittert, führt das immer noch regelmäßig zu Morddrohungen und Hasskampagnen. Wir analysieren die neusten Diskussionen rund ums Thema und erneuern unsere Twitter-Daten-Analyse von letztem Jahr, die erneut zeigt warum das so ist: Don Alphonsos Twitter-Blase ist immer noch voll mit Rechtsradikalen. Er weigert sich nach wie vor, diese zu blocken. Derzeit wird eine Diskussion geführt, ob Betroffene von systemischer Diskriminierung aus ihrer Diskriminierung ein “Geschäftsmodell” machen “dürfen”. Beziehungsweise wird diese Position im (pseudo?)liberalen und konservativen Spektrum in letzter Zeit gelegentlich vertreten. Anlass war aktuell ein Kommentar von Fatina Keilani im Tagesspiegel, die den “Kampf gegen Rassismus” als “Geschäftsmodell” bezeichnet hatte. Dass der Vorwurf problematisch ist, haben diejenigen, die als Beispiele dafür herhalten sollten, bereits ausführlich widerlegt. Hasnain Kazim („Ex-Journalist und Buchautor“) hat im Tagesspiegel selbst das paradoxe Argument, dass die eigene Diskriminierung einem Privilegien verschaffen würde, mit dem Hinweis widerlegt, dass es schließlich auch “professionelle Rassisten” gibt, wie die AfD.
In der Berliner Zeitung, die sich auf einen Facebook-Post von Stephan Anpalagan („Talkshow-Dauergast“ ) bezieht, wird festgestellt, dass rechte Rhetorik alleinig auf dieser Opferhaltung und Rollenumkehr basiert. Und dass Antirassismus-“Arbeit” für engagierte Menschen eben oft eine “Geldverbrennungsmaschine” ist und der beste Weg “Hass, Hetze, Beleidigungen, Todeswünsche[n] und Morddrohungen” zu erhalten. “Vor dem Hintergrund all dessen nun den Kampf gegen Rassismus als lohnendes privates Geschäftsmodell zu bezeichnen, ist mindestens absurd, wenn nicht sogar offen bösartig”, schreibt Anpalagan. Und stellt fest, wie viel Geld und Aufmerksamkeit Keilani und der Tagesspiegel wohl mit ihrem Artikel “verdient” haben. Transparenz-Hinweis: Stephan veröffentlichte gelegentlich Texte bei Volksverpetzer – übrigens ehrenamtlich. Wessen Texte wir ebenfalls (unentgeltlich) veröffentlicht haben, ist die Autorin Jasmina Kuhnke („twitternde Vierfachmutter“), die die “unterkomplexe Verknüpfung von Boshaftigkeiten, ohne Kenntnis antirassistischer Arbeit und rassismuskritischer Ideen” kritisierte.