Die sozialen Plattformen gehen verstärkt gegen Hass und Hetze von Rechtsextremisten vor. Doch wirkt das Sperren und Löschen? Eine neue Studie, die dem SPIEGEL vorliegt, sagt: Ja, aber es gibt Grenzen. Als YouTube und Twitter im Juli die Accounts von Martin Sellner sperrten, war der Rechtsextremist der »Identitären Bewegung« empört: »Grundlos und plötzlich« seien seine Kanäle weg gewesen, schrieb Sellner in einer Rundmail an seine Fans. »Selbstverständlich« aber werde er sich juristisch gegen die Sperrungen wehren – und bittet um Spenden. Bislang aber hat dieses sogenannte Deplatforming, also das Löschen und Sperren von Kanälen in sozialen Netzwerken, rechtlich Bestand. Und es ist erfolgreich, das Publikum des Rechtsextremen ist deutlich geschrumpft: »Den rund 144.000 Abonnentinnen auf Sellners gesperrtem YouTube-Kanal stehen etwa 16.900 Abonnentinnen auf der alternativen Videoplattform BitChute und 6300 Abonnent*innen auf der Streaming-Plattform DLive gegenüber.« Das haben zwei Forscherinnen und ein Forscher im Rahmen der Studie »Hate not found?! Das Deplatforming der extremen Rechten und seine Folgen« des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) aus Jena festgestellt. (…) Soziale Netzwerke sind zentral für die extreme Rechte und Verschwörungsideologen. Sie versuchen dort eine »Gegenkultur« zu etablieren, verbreiten Propaganda, mobilisieren ihre Anhänger und rekrutieren neue. Gerade während der Corona-Pandemie nimmt die Bedeutung der großen Plattformen und ihrer kleineren Alternativen noch einmal zu.
via spiegel: Soziale Netzwerke Erfolgreicher Rausschmiss
siehe auch: Unsere neue Studie zu Auswirkungen von Sperrungen in sozialen Medien auf rechtsextreme Strukturen. Hate not found?! Das Deplatforming der extremen Rechten und seine Folgen“ ist die erste systematische Studie zur Frage, wie sich Sperrungen von Profilen in den sozialen Medien auf die extreme Rechte im deutschsprachigen Raum auswirken. Die Ergebnisse werden am 11. Dezember auf einer digitalen Tagung „Hate not found ?!“ vorgestellt und live mit Expert*innen diskutiert. Forscher*innen des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) aus Jena analysierten systematisch Muster in Kommunikations- und Verhaltensweisen, wenn Plattformbetreiber ihre Gemeinschaftsstandards gegen rechtsextreme Hassakteure durchsetzen. „Unser Fokus lag auf der Klärung der Fragen, welche Einschränkungen Hassakteure durch Löschungen hinnehmen müssen, welche innovativen Umgänge sie entwickeln, um kommunikativ handlungsfähig zu bleiben, und wie sie ihre Mobilisierung in sozialen Medien neu ausrichten“, stellt Maik Fielitz, Co-Autor der Studie, heraus. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich Rechtsextreme von kommerziellen Plattformen abhängig gemacht haben und ihnen das Einschreiten der Betreiber erheblich schadet. Von 55 einflussreichen untersuchten Hassakteuren hatten 29 bereits digitale Plattformen verloren. Co-Autorin Karolin Schwarz erläutert: „Das Deplatforming zentraler rechtsextremer Akteure schränkt deren Mobilisierungskraft deutlich ein und nimmt ihnen eine zentrale Ressource, auf die ihre Inszenierungen abzielen: Aufmerksamkeit. In dieser Hinsicht lässt sich eindeutig sagen: Deplatforming wirkt.“; Deplatforming stört rechtsextreme Netzwerke nachhaltig. Nazis nutzen soziale Netzwerke, um ihren Hass so weit wie möglich zu streuen. Aber wenn Netzwerke sie nach Regelverstößen verbannen, verlieren sie ihre Reichsweite – und bekommen sie auch auf „Alternativplatformen“ nicht zurück. Eine neue Studie des IDZ belegt das stichhaltig.
Wenn Facebook/Instagram, Twitter oder Youtube/Google gegen rechtsextreme, menschenfeindliche und verschwörungsideologische Akteur*innen auf ihren Plattformen vorgehen – was die Netzwerke seit etwa drei Jahren stärker tun – beklagen diese ihr Schicksal lautstark und nutzen dabei gleich stärkste rhetorische Geschütze wie Zensur, Diktatur, Stasi oder das Ende der Meinungsfreiheit insgesamt. Und dass nur, weil sie sich nicht an die Regeln halten wollen, die das deutsche Strafrecht und die Community Guidelines der Netzwerke ihnen vorgeben – denn ohne Verstöße sperren die Netzwerke nicht. Der Grund für das tränenreiche Lamentieren ist allerdings handfest: Deplatforming verringert Reichweite, Einfluss und Verdienstmöglichkeiten. Wenn ein rechtsextremer Akteur gesperrt wird, wechselt er oft zu einer „alternativen“ Plattform. Nur: Die vorgeblichen Fans komme nicht mit.
Dies zeigt nun ausführlich die neue Studie zu Auswirkungen von Sperrungen in sozialen Medien auf rechtsextreme Strukturen des Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena. „Hate not found?! Das Deplatforming der extremen Rechten und seine Folgen“ von Maik Fielitz und Karolin Schwarz ist die erste systematische Studie zur Frage, wie sich Sperrungen von Profilen in den sozialen Medien auf die extreme Rechte im deutschsprachigen Raum auswirken. Forscher*innen des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) aus Jena analysierten systematisch Muster in Kommunikations- und Verhaltensweisen, wenn Plattformbetreiber ihre Gemeinschaftsstandards gegen rechtsextreme Hassakteure durchsetzen. „Unser Fokus lag auf der Klärung der Fragen, welche Einschränkungen Hassakteure durch Löschungen hinnehmen müssen, welche innovativen Umgänge sie entwickeln, um kommunikativ handlungsfähig zu bleiben, und wie sie ihre Mobilisierung in sozialen Medien neu ausrichten“, stellt Maik Fielitz, wissenschaftlicher Leiter der Studie, heraus. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich Rechtsextreme von kommerziellen Plattformen abhängig gemacht haben und ihnen das Einschreiten der Betreiber erheblich schadet. Von 55 einflussreichen untersuchten Hassakteuren hatten 29 bereits digitale Plattformen verloren. Studienautorin Karolin Schwarz erläutert: „Das Deplatforming zentraler rechtsextremer Akteure schränkt deren Mobilisierungskraft deutlich ein und nimmt ihnen eine zentrale Ressource, auf die ihre Inszenierungen abzielen: Aufmerksamkeit. In dieser Hinsicht lässt sich eindeutig sagen: Deplatforming wirkt.“ Die Studie stellt weiterhin fest, dass die Sperrungen Hassakteure nicht mehr überraschend oder unvorbereitet trifft. Es bildeten sich innovative Strategien des Umgangs heraus, die Handlungsfähigkeit signalisieren. Dazu identifiziert die Studie sechs Muster, um eine Sperrung zu vermeiden, zu umgehen oder auszugleichen: semantische Mimikry-Taktiken, (Audio-)Visualisierung der Propaganda, Schaffung von Fake-Accounts, Einsatz von Proxies, Ausweichen auf Alternativplattformen sowie Aufbau eigener digitaler Infrastrukturen.
studie hate not found?! (PDF)