Der Halle-Attentäter steht allein vor Gericht, doch war er online in einem Milieu aktiv, das seinen Hass bestärkte. So putschte er sich beim Anschlag mit Musik eines rechtsradikalen Rappers auf, wie Recherchen von report München und “Der Standard” zeigen. Stephan B. ist alleine im Auto, als er die Synagoge in Halle an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ansteuert. Im Livestream, den er für rechtsradikale Gesinnungsgenossen online stellt, ist zu hören, wie er sich selbst aufputscht. Dann ist das antisemitische und volksverhetzende Lied “Powerlevel” des rechtsradikalen Rappers mit dem Pseudonym Mr. Bond zu hören. Strafrechtlich gesehen ist Stephan B. Einzeltäter. Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter in Berlin, hält den Begriff des Einzeltäters allerdings für überholt. Dieser sei “extrem verwirrend. Strafrechtlich mag das bisweilen so sein, dass jemand alleine handelt, eine konkrete Straftat ausübt, aber es verwirrt politisch der Begriff des Einzeltäters, weil niemand agiert allein. Alle rechtsextremen oder auch antisemitischen Akteure sind eingebunden in Netzwerke. Das lenkt davon ab, dass es eine große Integration in der Szene und in das Milieu gibt”.
Eine Analyse der Bezüge zwischen Stephan B. in die Online-Welt von Rechtsradikalen zeigt: In einem Imageboard, den auch Stephan B. frequentiert, trifft sich der Rapper Mr. Bond nach Recherchen des ARD Politmagazins report München und der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” mit Gleichgesinnten. Phantasien vom “Reich” und Glorifizierung von Adolf Hitler dominieren den Austausch im Chat, der der Redaktion vorliegt. Neben Mr. Bond auch dabei: K.M., die Abkürzung für Kikel Might. Er ist der Hintermann der mittlerweile indizierten rechtsradikalen Webseite Judas Watch, eine Datenbank mit Listen sogenannter Feinde der “weißen Rasse”. Juden sind mit einem Davidstern markiert. Im rechtsradikalen Podcast mit dem Namen “im Ofen” wird Kikel Might international gefeiert: “Tonight I am joined by Kikel Might of Judas Watch, welcome to the show Kikel”, sagt der Moderator eines extremistischen Podcasts. Kikel Might bedankt sich mit “Hello and thanks for having me on”, um seine Ideen von der “Endlösung” und seiner Feindes-Datenbank zu propagieren.
via tagesschau; Attentäter von Halle Eingebunden in eine Welt des Hasses
siehe auch: Soundtrack zum Rechtsterrorismus in Halle stammte aus Wien. Ein Musiker aus Wien stachelt unter dem Deckmantel der Anonymität weiter zu Terroranschlägen an – jahrelang unter dem Radar heimischer Sicherheitsbehörden. “Ein Deutscher macht einen auf T.?”, postet User anon24431009 aus Wien am Tag des Terroranschlags von Halle, dem 9. Oktober 2019, sichtlich erregt in einem US-Neonazi-Forum. “In dem Stream wurde ein Song von Mr. Bond gespielt?” Die Erregung des Users ist nicht verwunderlich: Er ist selbst der Wiener Musiker Mr. Bond, der aus den Charts bekannte Hits mit neonazistischen Texten neu vertont. Seine Musik wurde vom Attentäter Stephan B. abgespielt, als sich dieser auf den Weg zur Synagoge von Halle machte. Stephan B. tat es seinem Vorbild gleich: Nur Monate zuvor hatte der Rechtsextremist Brenton T. bei seinem Angriff auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) 51 Menschen vor laufender Kamera getötet. Stephan B. wird im Sommer 2020 vor Gericht aussagen, bei seinem Anschlag sei alles gut geplant gewesen, auch die Musiktitel. Sie sollten als “Kommentar zur Tat” fungieren. Den Abzug seiner Waffe hat er alleine gedrückt, hinter ihm steht aber ein Online-Netzwerk, dessen Mitglieder immer wieder zu Anschlägen aufrufen – wie auch Mr. Bond aus Wien. Wie muss Musik beschaffen sein, um als “Kommentar” oder gar Motivation für faschistischen Terror zu funktionieren, und wer verbreitet diese Musik über Jahre – ohne von den Behörden behelligt zu werden? (…) Seit Jahren ist der Wiener Mr. Bond alias anon24431009 in faschistischen Foren unterwegs. Auf sogenannten Imageboards und im Darknet tauscht er sich nicht nur über seine Hobbys – wie das Radfahren und Gewichtheben oder seine Familie – aus, sondern verbreitet dort auch rassistische Hetze. Hinter politischen Ereignissen vermutet er regelmäßig eine jüdischen Verschwörung, und den Holocaust an sechs Millionen Juden leugnet er gleich völlig: “Holohoax”. Auch viele von Mr. Bonds – durchwegs männlichen – Onlinefreunden wünschen sich mehr rassistische Attentäter. In ihren Augen ist der Rechtsterrorist aus Christchurch ein Heiliger: “St. Brenton. Ich liebe diesen Mann”, schreibt der Wiener am Tag nach T.s kaltblütigem Mord an 51 Menschen. “Stellt euch 100 Brentons vor – auf der ganzen Welt!” Und weiter: “Auch wir müssen uns bereit machen, um losschlagen zu können, und das sehr bald.”
Von <a href=”//commons.wikimedia.org/wiki/User:Reise_Reise” title=”User:Reise Reise”>Reise Reise</a> – <span class=”int-own-work” lang=”de”>Eigenes Werk</span>, CC BY-SA 4.0, Link