Ein SZ-Journalist gerät in Köln mit sechs Polizisten aneinander, am Ende dieser Nacht liegt er mit einem dreifachen Trümmerbruch des Sprunggelenks im Krankenhaus. Im Verfahren wird der angeklagte Polizist freigesprochen. (…) In der Nacht vom 17. auf den 18. November 2018, gegen halb drei Uhr morgens, ist die Schicht von Oliver K., 44, und seinen fünf jüngeren Kolleginnen und Kollegen im Rahmen dieses Präsenzkonzepts zu Ende. Die sechs Beamten wollen, so stellen sie es dar, gemeinsam im Polizei-Sprinter von der Samstagabend-Schicht auf dem Kölner Kiez zurück zu ihrer Wache und in den Feierabend. Dabei fällt ihnen ein unglücklich abgestelltes Taxi auf, das die Fahrbahn und den Radweg gleichermaßen blockiert. In diesem Taxi sitzt als Fahrgast der SZ-Journalist Javier Cáceres, 50, er ist auf einer Dienstreise, sein Hotel in der Nähe, er will aussteigen. Wie man heute weiß: zur falschen Zeit am falschen Ort. Die folgende Begegnung mit der Polizei endet für ihn nicht nur mit ein paar Stunden in der Zelle, sondern auch mit einem dreifachen Trümmerbruch des Sprunggelenks im linken Fuß – und als Nebenkläger vor Gericht. Cáceres zeigte danach die Beamten jener Nacht wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt an, die Staatsanwaltschaft Köln schließlich klagt den Gruppenführer Oliver K., seit fast 28 Jahren Polizeibeamter, als möglichen Täter an. Am Dienstagabend nun wurde K. freigesprochen. (…) Unstrittig ist der folgende Verlauf: Cáceres, dem es nach eigenen Angaben peinlich gewesen sei, dass seine Bekannte auf dem Heimweg aufgehalten wird, fängt eine Diskussion mit den Polizisten an. Platzverweise der Beamten ignoriert er, er sei “renitent” gewesen, räumt er vor Gericht ein, “weil ich die Maßnahme für überzogen gehalten habe”. Die Lage eskaliert, Cáceres wird von Oliver K. zu Boden gebracht, weil er, so K. vor Gericht, “den Wohlfühlabstand” mehrmals unterschritten habe – und spürt danach Schmerzen im linken Fuß. Er gibt das auch noch in der Nacht an: “Sie haben mich getreten.” Vor Gericht sagen fünf der sechs Beamten aus, keinen Tritt gesehen zu haben, ihn sogar zu 100 Prozent ausschließen zu können. Nur einer sagt, er habe keine freie Sicht auf das Geschehen gehabt. Einige bemerken aber, dass Cáceres humpelt, niemand kann sich die Verletzung erklären. Der angetrunkene Taxigast habe in Gewahrsam genommen werden müssen, sagten die Beamten im Prozess aus, um “weitere Straftaten” zu verhindern, er sei “eine Gefahr für andere Passanten gewesen”. Allerdings habe er keinen Beamten beleidigt oder bedroht, nach dem Zubodenbringen sei er sogar “sehr ruhig und vernünftig” gewesen.
Drei Wochen Krankenhaus, sechs Wochen arbeitsunfähig, bis heute Schrauben im Bein Dennoch bringt ein Gefängniswagen Cáceres schließlich ins Polizeipräsidium, dort wird um fünf Uhr ein Alkoholwert von 0,66 mg/l Atemluft festgestellt. Gegen sechs Uhr am Morgen wird er entlassen. Sein Weg führt ihn ins Krankenhaus, wo die multiplen Verletzungen aus der Nacht aufgenommen und schließlich operiert werden: drei Wochen Krankenhaus, sechs Wochen arbeitsunfähig, bis heute Schrauben im Bein. Cáceres, überzeugt davon, von einem Polizisten, der auf der Uniform den Namen “Oli” oder “Oliver” aufgedruckt gehabt habe, getreten worden zu sein, erstattet Anzeige. Zahlen belegen, dass solche Anzeigen in der Regel keinen Erfolg versprechen. Laut einer Auswertung der Ruhr-Universität Bochum werden 90 Prozent der Verfahren gegen Polizeibeamte eingestellt, so auch die Ermittlungen nach der Anzeige des Redakteurs. Nur eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Verbindung mit einem inzwischen erstellten biomechanischen Gutachten, wonach die Verletzung ohne Einwirkung von stumpfer Gewalt auf den Knöchel des Verletzten nicht denkbar sei, führen zu einer Wiederaufnahme – und zur Anklage gegen Oliver K.

VIA sz: Prozess gegen Polizisten:Falscher Zeitpunkt, falscher Ort