Manche posten Hitlers Lieblingsspeise Eiernockerl am 20. April, seinem Geburtstag, in sozialen Netzwerken: Rechtsextreme Codes wie diese sind fast schon plump und werden meist strafrechtlich verfolgt. Doch es kursieren viel subtilere Geheimzeichen in Form von Emojis oder Musik – und mit „Algospeak“ hat sich eine eigene Strategie entwickelt, Kontrollen zu umgehen. (…) „Döp Dödö Döp“ ist inzwischen eine verschlüsselte Botschaft, eine sogenannte „Dog Whistle“. Hundepfeifen können von Menschen nicht gehört werden, ihre Signale bleiben im Verborgenen und werden deshalb strategisch zur Manipulation eingesetzt. Die Codes dienen Gesinnungsgenossen als Erkennungszeichen auf Social Media. Sie stiften Zugehörigkeit, Vernetzung und Sicherheit, denn laut Isolde Vogel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes sind sich viele Extremisten der strafrechtlichen Grenzen des Sagbaren sehr wohl bewusst. Der für Außenstehende unverdächtige Nonsense-Spruch „Döp Dödö Döp“ wird – genauso wie der Umriss der Insel Sylt, wo sich der Vorfall abspielte – als rechtsextremer Code digital und analog – in Form von Aufklebern, T-Shirts und Kaffeetassen – zur Schau getragen. Um die Monetarisierung dieser Artikel zu unterbinden, hat sich der antifaschistische Verein „Laut gegen Nazis“ zusammen mit der deutschen Werbeagentur Jung von Matt die Wort- und Bildrechte am Skandalslogan gesichert. (…) Auch Extremisten nutzen Emojis als mehrdeutiges Medium. Zum Beispiel können zwei Blitze auf die doppelte S-Rune – das Zeichen der nationalsozialistischen Schutzstaffel „SS“ – verweisen. Das Emoji, das eine Person mit erhobenem Arm zeigt, kann auch als Hitlergruß gedeutet werden und ein „Duschkopf“ kann – je nach Kontext – auf die Vergasung von Juden anspielen. Die Liste dieser rechtsextrem-codierten Emojis ist lang und ändert sich ständig. Algospeak – verschlüsselte Kommunikation im Internet In Europa versucht man, Social-Media-Kanäle zu kontrollieren und illegale Inhalte zu löschen. In Amerika schlägt das Pendel unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit in die andere Richtung um. Auf den US-amerikanischen Ablegern der Social-Media-Plattformen von Elon Musk und Mark Zuckerberg – also Facebook, Instagram und X – bleiben Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und Hass-Botschaften einfach stehen. Um den europäischen Einschränkungen zu entgehen, etablierte sich „Algospeak“ als indirektes Kommunikationsmittel. Dabei werden Wörter absichtlich falsch geschrieben – oder Vokale weggelassen. Mit der Schreibweise „HTLR“ statt Hitler entgeht man der Zensur. „Algospeak“ wird aber auch bei harmloseren Themen eingesetzt: „Sex“ schreibt man auf TikTok und Instagram etwa als „seggs“, um die Jugendschutz-Filter der Plattformen umgehen. Die so veränderten Schreib- und Sprechweisen sickern langsam in den Jugendjargon und die Popkultur ein. Parallel dazu wird „Algospeak“ von Extremisten als antidemokratische Strategie genutzt, mit der die Grenzen des Sagbaren verschoben und Hassrede normalisiert wird.

via orf: „ALGOSPEAK“ Rechtsextreme Codes in sozialen Netzwerken