Greta Thunberg durfte am Dienstag nicht zu einer propalästinensischen Kundgebung in Dortmund erscheinen. Begründung: Die Aktivistin sei »gewaltbereit«. Mittlerweile hat die Polizei ihre Angaben korrigiert. Nach ihrem Vorgehen gegen die schwedische Aktivistin Greta Thunberg bei einem propalästinensischen Protestcamp in Dortmund hat die Polizei ihr Vorgehen verteidigt, zugleich aber auch einen Fehler eingeräumt. Einsatzkräfte hatten das Camp am Dienstagabend kurz vor dem geplanten Besuch Thunbergs verboten und aufgelöst. Es habe die konkrete Gefahr antisemitischer Straftaten bestanden, betonte der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange. Andere Mittel, als das Camp und damit den Auftritt Thunbergs ganz zu verbieten, hätten die Einsatzkräfte nicht gehabt. In einer ersten Mitteilung zu ihrem Einsatz war Thunberg zudem als »gewaltbereite Person« bezeichnet worden. Das bezeichnete die Polizei anschließend als »internen Fehler«. (…) Die Bezeichnung der 21-Jährigen als »gewaltbereite Person« in einer ersten Pressemitteilung habe man »im Anschluss an eine erneute polizeiliche Prüfung« aber »konkretisiert«: »Nicht sie als Person ist gewaltbereit, ihr Einfluss auf die Versammlung kann zu gewalttätigen Handlungen gegen Personen und Eigentum führen«, erklärte die Polizei. Transparent gemacht hat die Polizei diese Korrektur erst auf Nachfrage von Medien.
via spiegel: Aufgelöste Versammlung Polizei bezeichnete Greta Thunberg zwischenzeitlich als »gewaltbereit«
siehe dazu auch: Fragwürdige Pressearbeit: Die Polizei ist keine privilegierte Quelle Zu viele Journalist:innen übernehmen unkritisch, was die Polizei sagt, schreibt und twittert. Dabei ist nach unzähligen Vorfällen klar: Die Polizei ist nicht neutral, sondern ein eigenständiger Akteur in der öffentlichen Meinungsbildung. Es wird Zeit, sie auch so zu behandeln. Ein Kommentar. Die Polizei gilt, wie Behörden und Nachrichtenagenturen, vielen Journalist:innen als „privilegierte Quelle“. Gemeint ist, dass man dieser Quelle vertrauen kann, weil sie nüchtern, sachlich und wahrheitsgemäß berichtet. Und weil man vertraut, übernimmt man mit weniger Prüfung, was diese Quelle sagt. Das Konzept der privilegierten Quelle ist an sich schon fragwürdig. Schließlich können auch Nachrichtenagenturen oder Behörden Fehler unterlaufen. Noch fragwürdiger ist das Konzept im Fall der Polizei. Häufig sehen wir, dass die Polizei nicht sachlich kommuniziert, sondern selbst zum Akteur der öffentlichen Meinungsbildung wird. Aber trotz zahlreicher Vorfälle von Desinformation in den letzten Jahren schreiben immer noch viele Journalist:innen treu-doof ab, was die Polizei auf Twitter, in Pressemitteilungen oder über ihre Sprecher:innen verbreitet. Dabei ist nicht erst seit dem vergangenen Wochenende Vorsicht angesagt. Da demonstrierte die Klimabewegung „Ende Gelände“ in Hamburg. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant:innen. Die Polizei behauptet bis heute auf Twitter, sie sei von den Demonstrierenden mit Pfefferspray angegriffen worden und habe danach die Versammlung aufgelöst und selbst Pfefferspray eingesetzt. Eine Nachricht, die dazu geeignet ist, die Klimaproteste – die selbst unter dem Konsens stehen, keine Menschen zu gefährden – zu diskreditieren. Die Polizei-Version wurde von Teilen der Presse ungeprüft übernommen, in Springer-Medien machte man sie gar zur Überschrift, die AfD nutzte sie zur Stimmungsmache. Nun kam heraus, dass die Polizei sich vermutlich selbst mit dem Reizgas verletzt hat als sie es unkontrolliert in den Wind sprühte. Diese Version hat auch der Spiegel-Reporter Jonas Schaible vor Ort gesehen und so aufgeschrieben. Auch die Polizei schließt nun auf Hamburg1 und beim NDR nicht mehr aus, dass sie sich selbst mit dem Reizgas getroffen habe. Zugleich schreibt sie auf Twitter weiter, Polizeikräfte vor Ort hätten gemeldet, „dass sie aus der Personengruppe heraus mit Pfefferspray angegriffen wurden“ und verwehrt sich gegen den Vorwurf, Fake News zu verbreiten; Umgang mit der Polizei in Medien :Dein Freund und Melder Viele Medien übernehmen häufig unkritisch Polizeimeldungen. Weil die Polizei aber kein neutraler Akteur ist, muss ein neuer Umgang her. Der deutschsprachige Journalismus hat ein Polizeiproblem. Kurz kann ich es so sagen: In zu vielen Redaktionen gilt die Polizei als „privilegierte Quelle“. Dieser, in der Kommunikationswissenschaft etablierte Begriff bedeutet: Angaben und Darstellungen, die von polizeilichen Pressestellen stammen, werden zu selten bis nie von Journalistinnen vor Veröffentlichung geprüft. Das sorgt dafür, dass sehr häufig – auf gut Deutsch – Stuss in der Zeitung steht und das wiederum ist eine große Gefahr für den Journalismus selbst – aber auch für die Demokratie. Es gibt viele Beispiele, die verdeutlichen, wie Redaktionen gegenüber der Polizei nicht als Korrektiv, sondern als Steigbügelhalter fungieren: In Berlin-Neukölln räumte die Polizei im Juni 2017 zum Beispiel einen Laden, der von linksalternativen Aktivistinnen besetzt wurde. In einem Tweet behauptete die Berliner Polizei während des Einsatzes, dass ein Türknauf von den Besetzerinnen unter Strom gesetzt worden sei – um Beamtinnen bewusst in Lebensgefahr zu bringen. Die Meldung schockierte, Medien übernahmen damals unkritisch die von der Behörde gelieferte Schlagzeile „Anschlag auf die Polizei!“. Nur gab es den unter Strom stehenden Türknauf nie, wie sich herausstellte. Spätere Korrekturen konnten nur bedingt die polizeiliche Desinformation auffangen. Auch bei Großereignissen scheitern Medien immer wieder am eigenen Anspruch: Die Berichterstattung zum G20-Gipfel in Hamburg oder zu den Klimaprotesten in Lützerath war geprägt von der unkritischen Übernahme polizeilicher Quellen. Vor allem Angaben zu vermeintlich verletzten Beamtinnen oder Attacken von Demonstrantinnen wurden in aktuelle Berichte – ohne nötigen Faktencheck – gekippt. Mit zeitlichem Abstand, polizeikritischem Aktivismus und Nachfragen einiger Redaktionen blieb von den Darstellungen der Polizeibehörden nur wenig übrig. Da hatte sich die blaue Opfererzählung längst in das kollektive Gedächtnis geschlichen.