Trotz der Auflösung des NSU endete rechtsextremer Terror in Deutschland nicht. Aus einer Datenbank über rechten Terror sticht eine krude Ideologie hervor: der Akzelerationismus. Zum Jahreswechsel 2019/2020 beschäftigte sich der gelernte Elektriker Fabian D. aus Cham in der Oberpfalz intensiv mit den Schließmechaniken von Türen. Er tat das nicht, weil er etwa überlegte, zum Schlosser umzuschulen – sondern weil er wissen wollte, wie man Türen aufbricht, hinter denen sich Menschen in Sicherheit gebracht haben. Fabian D., Spitzname „Heydrich“, plante, in Moscheen oder Synagogen einzudringen und dann mit einem selbst gebauten Sturmgewehr wahllos in die Menge zu schießen. Für diesen Plan wurde der 22-Jährige Ende 2020 zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Heute findet sich sein Fall in einem neuartigen Verzeichnis, das der Thinktank „Cemas“ diese Woche veröffentlicht hat: der Datenbank „Rechtsterrorismus seit dem NSU“. (…) Die Forscher haben diese Anschläge und Anschlagspläne verschiedenen ideologischen Strömungen des Rechtsextremismus zugeordnet. Dabei sticht eine Kategorie besonders ins Auge: der „militante Akzelerationismus“. Pulverfass-Ideologie aus den finstersten Ecken des Internets Akzelerationismus, das kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie „Beschleunigung“ – in dem Fall die Beschleunigung des Zusammenbruchs der bestehenden Gesellschaft, den die Anhänger dieser Ideologie schon nahen sehen. Ursprünglich wurde dieser Gedanke mal von radikalen Linksextremisten entwickelt. Die Idee: den Kapitalismus zu überwinden, indem man Armut und Ausbeutung nicht lindert, sondern verschlimmert, bis die Situation so unerträglich wird, dass das System zerfällt. Teile der rechtsextremen Szene haben diesen Gedanken in den vergangenen Jahren aufgegriffen und in ihr Weltbild eingepasst. Sie glauben, dass ein „Rassenkrieg“ unmittelbar bevorsteht, demokratische Gesellschaften quasi auf einem Pulverfass sitzen – und man dieses Fass mit Anschlägen zur Explosion bringen kann. Das Besondere ist, dass die oft jungen rechtsextremen Akzelerationisten in der Regel nicht im Freundeskreis oder in klassischen Neonazi-Verbänden auf ihre Ideen kommen. Die Radikalisierung vollzieht sich alleine, in den finstersten Ecken des Internets, in denen man Bombenpläne teilt und Feindeslisten erstellt. Auch Fabian D., der sich akribisch mit Türschlössern auseinandersetzte, habe sich in Online-Chats der rechtsextremen Gruppe „Feuerkrieg Division“ mit etwa 30 bis 40 anderen Rechtsextremen aus verschiedenen Ländern über Anschlagsszenarien ausgetauscht,

via tagesspiegel: Von der Online-Community zum Rechtsterrorismus: Der krude Glaube an den „Rassenkrieg“


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