Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt bewegt sich mit seinen Äußerungen oft an der Grenze zwischen gerade noch zulässigen und eben nicht mehr zulässigen Meinungsäußerungen oder unwahren Tatsachenbehauptungen. Zuletzt musste er vermehrt gerichtliche Niederlagen einstecken, wie mit seinem Taliban-Tweet oder seinen Vorwürfen gegenüber “ZDF Magazin Royale”. Auch für die Grünen ging er jetzt einen Schritt zu weit: Er habe durch Tweets und Berichte den Eindruck erweckt, der Verein “PolizeiGrün e.V.” handele im Auftrag der Partei, so der Vorwurf der Grünen – etwa durch Äußerungen wie “ganz offenkundig baut sich die Grüne Partei in ihrem Hauptquartier eine eigene Einschüchterungstruppe aus treu ergebenen Polizeibeamten auf”. Tatsächlich handelt es sich bei “PolizeiGrün e.V. ” um einen rechtlich, personell und finanziell unabhängigen Verein. Seine Mitglieder sind grüne und grünen-nahe Polizeibeamte. Dass auch andere Parteien ähnliche Gruppierungen haben, die im Unterschied zu den “PolizeiGrün e.V.” sogar in die jeweilige Parteistruktur eingegliedert sind (etwa die Sozialdemokrati:innen in der Polizei oder der CSU-Arbeitskreis Polizei und Innere Sicherheit) ließ Reichelt dabei unter den Tisch fallen.  Die Partei forderte ihn und das rechtspopulistische Medium Nius auf, die aus ihrer Sicht falschen Nachrichten zu löschen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kamen weder Reichelt noch Nius nach. Daraufhin stellten die Grünen – vertreten durch Redeker Sellner Dahs – beim Landgericht (LG) Hamburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).  Das LG Hamburg gab den Grünen in mehreren Punkten recht und untersagte Reichelt und Nius – vertreten durch Rechtsanwälte Steinhöfel aus Hamburg – im Wege der einstweiligen Verfügung bestimmte Äußerungen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte es, wie üblich, ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft an. Andere angegriffene Aussagen hielt das Gericht für zulässige, wertende Meinungsäußerungen (Beschl. v. 08.04.2024, Az. 324 O 129/24). Reichelt erweckt unwahren Eindruck zu “PolizeiGrün”  Reichelt hatte unter anderem Äußerungen getätigt wie: “Die Polizei der Grünen postete auch dies auf X” oder “Noch einmal, hier sitzen Polizisten in der Grünen Parteizentrale”. Das LG Hamburg geht davon aus, dass Personen, die den gesamten Beitrag lesen, nicht davon ausgehen, dass die Grünen eine Vollzugspolizei aufbauen oder dulden würden. Vielmehr würde der durchschnittliche Leser erkennen, dass es sich nur um einen Zusammenschluss von den Grünen nahestehenden Polizisten handelt. Dies erkenne der Leser etwa an der Passage, wonach “echte Polizisten unter dem Namen Polizei (…) auftreten”. Entsprechend wurden Reichelt Aussagen, die zum Gegenstand haben, dass die Grünen eine eigene Polizei haben, nicht verboten – weil eben der Leser durch den Kontext des Berichts erkenne, dass es sich dabei nicht um eine Vollzugspolizei handele, sondern den Verein. Allerdings würde durch mehrere Passagen von Reichelt der unwahre Eindruck erweckt, der Verein “PolizeiGrün” sei in enger Abstimmung und im Auftrag der Grünen tätig. Dieser Eindruck entstünde etwa durch die einleitenden Sätze eines Artikels, wonach es um eine Polizei gehe, die einer solchen entspreche, die “im Dienste der herrschenden Partei” stehe und die “aus der Parteizentrale gesteuert und befehligt” werde. Dieser falsche Eindruck werde verstärkt durch die Äußerung “ganz offenkundig baut sich die Grüne Partei in ihrem Hauptquartier eine eigene Einschüchterungstruppe aus treu ergebenen Polizeibeamten auf”. Entsprechend wurde Reichelt und Nius diese Eindruckserweckung verboten.  Reichelts Falschbehauptung zu Büroräumen Außerdem untersagte das Gericht Reichelt und Nius, zu behaupten oder zu verbreiten, in einem Gebäude in Berlin-Mitte befänden sich sowohl die Parteizentrale der Partei Bündnis 90/Die Grünen als auch die Büros der “PolizeiGrün”. Diese als Bildunterschrift erscheinende Äußerung stelle eine unstreitig unwahre Behauptung dar. Der maßgebliche Durchschnittsleser nehme hier an, dass der Verein in dem gezeigten Gebäude über tatsächliche Büroräume verfüge, was nicht der Fall ist. Den Grünen stehen insoweit Unterlassungsansprüche gegen Reichelt und Nius aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 19 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu. Die angegriffene Berichterstattung verletze die Grünen in dem ihr zukommenden Achtungsanspruch. Auch eine politische Partei könne sich über Art. 19 Abs. 3 GG auf den Schutz der ihrem Wesen nach auf sie anwendbaren Grundrechte berufen.

via lto: LG Hamburg zu Streit Grüne vs. Reichelt Gericht ver­bietet Julian Rei­chelt Aus­sagen zu “Poli­zei­Grün”