Eine Frau geriet mit einer Adbusting-Aktion ins Visier der Polizei. Beamten sahen darin eine Straftat und durchsuchten ihre Wohnung. Das hatten ihnen die Strafgerichte erlaubt – zu Unrecht, wie nun das BVerfG entschied. Adbusting – das bedeutet wörtlich, eine Werbeanzeige zu kapern, also sie zu verfremden, umzugestalten oder zu überkleben. Ziel ist es, die werbende Person bzw. die Aussage ins Lächerliche zu ziehen. Im vorliegenden Fall “bustete” eine Aktivistin im Mai 2019 ein Plakat der Bundeswehr, auf dem sie mit dem Slogan warb: “Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?” Sie tauschte es gänzlich aus, durch ein dem Original nachempfundenes Plakat, auf dem stand: “Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe.” Ist das eine Straftat, die so gravierend ist, dass sie eine Wohnungsdurchsuchung rechtfertigt? Nein, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Donnerstag (Beschl. v. 21.12.2023, Az. 2 BvR 1749/20). Die Richter in Karlsruhe gaben damit der Verfassungsbeschwerde der Aktivistin gegen die Beschlüsse zweier Berliner Strafgerichte statt – diese sei “offensichtlich begründet”. Die Beschlüsse verletzten das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Grundgesetz (GG). Zwar habe im Zeitpunkt der Durchsuchung der Verdacht einer Straftat bestanden, jedoch sei die Maßnahme unverhältnismäßig. Zwei Strafgerichte hielten Durchsuchung für angemessen Beamten der Berliner Polizei erwischten die Frau noch während der Aktion, hingen das “gebustete” Plakat wieder im Schaukasten der Bushaltestelle auf und stellten das Fake-Plakat sicher. Die Ermittler sahen den Anfangsverdacht eines Diebstahls. Kurze Zeit nach dem Vorfall wurde die Polizei auf weitere “Adbusting”-Aktionen aufmerksam. Diese Fälle wiesen Parallelen auf zu dem vorherigen Vorfall mit der Frau. Sie beantragten daher beim Amtsgericht (AG) Tiergarten einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung der Aktivistin. Diesen stellte das AG den Ermittlern auf Grundlage des Vorfalls an der Bushaltestelle auch aus, es bestehe Verdacht eines Diebstahls im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Strafgesetzbuch, StGB). Die polizeiliche Durchsuchung erfolgte dann auch im September 2019. Die dagegen beim Berliner Landgericht (LG) eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Diesen Beschluss hob das BVerfG nun auf. In Abwägung aller Umstände sei die Durchsuchung insgesamt unangemessen. Welche neuen Beweismittel erhofften sich die Ermittler? Die Berliner Gerichte hätten sich zudem nicht hinreichend mit der Schwere der Taten und den zu erwartenden Strafen auseinandergesetzt. Die Taten waren nach Einschätzung des BVerfG eher geringfügig, die zu erwartende Strafe eher niedrig. Gegen die Aktivistin habe zum Zeitpunkt der Durchsuchung ein Anfangsverdacht wegen Diebstahls an dem Original-Plakat der Bundeswehr bestanden. Der zusätzliche Verdacht einer vollendeten Sachbeschädigung an dem mitgebrachten Plakat dagegen erweise sich “allenfalls als schwach”. Maßgeblich war darüber hinaus die geringe Wahrscheinlichkeit, in der Wohnung weitere Beweismittel zu der Tat an der Bushaltestelle zu finden. Schließlich hatten die Beamten das Hauptbeweismittel – das Fake-Plakat – ja bereits gesichert.