Beide Parteien wollen in Dortmund keine Straße nach dem Holocaust-Überlebenden und Antifaschisten benennen, weil er zu DDR-Zeiten in der SED war. Am Dienstag wird in Dortmund-Scharnhorst weiter darüber diskutiert, ob ein kleines Sträßchen im Stadtteil Grevel nach dem jüdischen Nazi-Verfolgten Kurt Goldstein benannt werden soll. Goldstein ist 1914 in Scharnhorst geboren, engagierte sich bis ins hohe Alter gegen Nazis und starb 2007 in Berlin. Eigentlich sollte die Scharnhorster Bezirksvertretung die Ehrung durch einen Straßennamen schon vor einem Monat beschließen, doch die Benennung wurde vertagt. Grund dafür war Kritik von Seiten der AfD, die die CDU aufgriff: AfD-Vertreter Mike Dennis Barthold hatte erklärt, dass Goldstein zu DDR-Zeiten der SED angehörte, dies wollten die Christdemokrat*innen überprüfen und beantragten deshalb die Vertagung auf Dezember. Nun kommt CDU-Sprecher Jürgen Focke zu dem Schluss, dass Goldsteins Lebenslauf in der Erläuterung zur Bennenung »verkürzt und einseitig dargestellt« sei. Darin sei dessen Übersiedelung in die DDR und dessen Tätigkeit als Journalist in der DDR verschwiegen worden. Laut den »Ruhr Nachrichten« wird die CDU in der Sitzung am Dienstag gegen die Straßenbenennung stimmen, da sie es nicht für angemessen halte, einen Straßennamen an einen Menschen zu vergeben, der seine eigene Tätigkeit im staatlichen Unterdrückungssystem der DDR kleingeredet und Stasi-Unrecht ausgeblendet habe. Grünen-Sprecher Marc Schmitt-Weigand dagegen sprach sich schon im November für den Straßennamen aus und appellierte an die CDU, sich von der AfD »nicht ins Bockshorn jagen« zu lassen, wegen einiger Schatten in Goldsteins Lebenslauf. In seiner Jugend war Kurt Julius Goldstein in einer linken, jüdischen Gruppe, der SPD-Jugend und ab 1928 in der KPD-Jugend aktiv. Als 1933 seine Festnahme drohte, tauchte er unter, schloss sich einer zionistischen Organisation an und ging für ein Jahr nach Palästina. Ab 1936 beteiligte er sich als Interbrigadist am Krieg gegen Franco in Spanien. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg wurde Goldstein erst in Frankreich interniert und 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Er überlebte das Außenlager Jawischowitz und auch den Todesmarsch nach Buchenwald, wo er am 19. April 1945 den Schwur von Buchenwald ablegte. 1951 zog Goldstein in die DDR, arbeitete dort als Journalist und war bis in die späten 1970er Jahre Intendant der »Stimme der DDR«. Sein Leben lang setzte sich Goldstein, etwa als Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, gegen den Faschismus und für Aufklärung ein. 2005 erhielt er das Bundesverdienstkreuz als einer »der letzten lebenden und sich aktiv einbringenden Zeitzeugen des größten Verbrechens der deutschen Geschichte«.
via nd: CDU und AfD gegen die Ehrung von Kurt Goldstein
siehe auch: Holocaust-Überlebender und Kommunist: Warum AfD und CDU gegen die Kurt-Goldstein-Straße stimmen In Dortmund ist Streit um einen Straßennamen entbrannt. Es geht um den in Dortmund geborenen Kurt Goldstein – Überlebender des Holocausts, aber auch Funktionär in der DDR. Von Christoph Ullrich Die Benennung neuer Stichstraßen ist eher selten Thema politischer Berichterstattung. Doch der Fall in Dortmund Gevel ist anders gelagert. Als an Halloween dieses Jahres die für den Stadtteil zuständige Bezirksvertretung tagt, soll die Straße ihren neuen Namen bekommen. Das Tiefbauamt schlägt den Namen “Kurt-Goldstein-Straße” vor. Kurt Goldstein war ein jüdischer Überlebender des Holocausts, ein Träger des Bundesverdienstkreuzes und Ehrenvorsitzender des Internationalen Ausschwitz-Kommitees. Der 2007 verstorbene Goldstein war in Dortmund-Scharnhorst geboren, sein Hauptwirken fand jedoch in der DDR statt. CDU wird nach AfD-Hinweisen aufmerksam Dieser Teil seiner Biografie störte in der Halloween-Sitzung die AfD: Sie verwies darauf, dass Goldstein 1951 in die DDR migrierte, dort lange Intendant des regimetreuen Senders “Stimme der DDR” war und bis zum Tod die Idee eines sozialistischen deutschen Staates für die bessere hielt. (…) Was vor allem mit dem Ursprung der Debatte zu tun hat – und selbst in der Düsseldorfer Landespolitik inzwischen manche beschäftigt. Weil es eben die AfD war, welche die CDU auf Goldsteins – öffentlich bekannte – Vita aufmerksam machte. Und eben weil in der Bezirksvertretung Scharhorst ausgerechnet Matthias Helferich die AfD vertritt, der sich einst in Chats als das “freundliche Gesicht des NS” bezeichnete. Selbst Ultrarechten in der AfD ist Helferich zu rechts, seit Jahren versucht die Landespartei Helferich loszuwerden, bisher ohne Erfolg. “Die CDU in der Bezirksvertretung Scharnhorst lässt sich mit ihrer Ablehnung der Straßenwidmung vor den Karren des AfD-Vertreters Matthias Helferich spannen”, schreibt deshalb die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Nadja Lüders. “Damit zeigt die lokale CDU, dass mit ihr kein Antifaschismus zu machen ist”, so Lüders weiter. CDU und AfD dementieren Zusammenarbeit Auch die Grünen vor Ort sind irritiert. Man sei sich bewusst, dass Kurt Goldstein keinen “sauberen” Lebenslauf aufweise. Dennoch werde man der Umbenennung zustimmen. Dass Goldstein sich zeitlebens an der Bundesrepublik rieb, sei nicht ehrenrührig gewesen sein, er verdiene den Straßennamen, teilen die Dortmunder Grünen auf Anfrage mit. Mit diesen Aussagen sollte dann der Kurt-Goldstein-Straße nichts mehr im Weg stehen. Gemeinsam mit der Linken haben SPD und Grüne eine sichere Mehrheit in der Bezirksvertretung. Dennoch bleibt die Frage nach dem Abstimmungsverhalten der CDU und einer möglichen Kooperation mit der AfD.