In Deutschland steigt die Zahl gemeldeter Straftaten und Diskriminierungen gegen Sinti und Roma. Der Antiziganismus-Beauftragte der deutschen Bundesregierung beklagt alltäglichen Rassismus, der sich quer durch alle Bereiche der Gesellschaft zieht. Über Ursachen und Lösungen sprach unsere Redaktion mit Mehmet Daimagüler. Ihre Leidensgeschichte ist lang, denn an vielen Orten in der Welt sind sie nicht willkommen. Dem Völkermord der Nationalsozialisten fielen Hunderttausende zum Opfer. Die Rede ist von den Sinti und Roma, die in Deutschland als Minderheit gelten. Heute leben hier geschätzte 70.000 bis 150.000 Menschen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Mehr aktuelle News Antiziganismus ist die Abwehrhaltung der Mehrheitsbevölkerungen gegen Sinti und Roma. Rassistische Vorurteile gegen sie sind bis heute weit verbreitet – romantisierende Bilder genauso wie abwertende. Viele Angehörige der Minderheit erfahren in ihrem Alltag Diskriminierung. Buchenwald Gedenken zur Befreiung des KZ Buchenwald vor 78 Jahren 16. April 2023 621 antiziganistische Vorfälle wurden 2022 alleine bei der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) gemeldet. Was sind die Ursachen und was muss sich ändern? Darüber sprach unsere Redaktion mit dem Antiziganismus-Beauftragten der deutschen Bundesregierung, Mehmet Daimagüler. Herr Daimagüler, mit welchen Herausforderungen haben Sinti und Roma in Deutschland zu kämpfen? Mehmet Daimagüler: Sinti und Roma erleben Tag für Tag Rassismus. Perfide ist, dass er noch nicht einmal als Rassismus wahrgenommen wird. Negativen Stereotypen über Sinti und Roma wird selten widersprochen. Positiv ist, dass sich die Community immer mehr Gehör verschafft, sich nicht mehr alles gefallen lässt und sich mit vielen Initiativen und Selbstorganisationen zu Wort meldet. Wogegen müssen sich Sinti und Roma genau wehren? Wir haben eine anhaltende Kriminalisierung der Community. Eine Kriminalisierung, die auch durch staatliche Organe am Leben gehalten wird. Menschen werden unter Generalverdacht gestellt. Zugewanderte Roma aus dem Balkan müssen sich als potenzielle ‘Sozialbetrüger’ abstempeln lassen. In Hannover hat nun eine Studie offengelegt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialbehörden systematisch Roma-Kinder von Schulen ferngehalten haben. Roma wurden menschenwürdige Unterkünfte verweigert und, und, und. Daimagüler: “Racial Profiling ist ein großes Problem” Sie haben die Kriminalisierung von Sinti und Roma durch die Behörden angesprochen. Wie zeigt sich das? Racial Profiling (Personen werden wegen ihrer Hautfarbe oder Gesichtszüge polizeilich kontrolliert; Anm. d. Red.) ist ein großes Problem. Innerhalb der Polizei scheinen bei manchen Beamten rechtsstaatliche Mindeststandards im Umgang mit Sinti und Roma nicht zu gelten. Es gibt immer wieder Fälle von Polizeigewalt. Roma-Kinder werden in sogenannte Förderklassen gesteckt, wo diese Kinder im Alter von sechs, sieben Jahren praktisch schon abgeschrieben werden. Und das ist besonders bitter, wenn wir gleichzeitig erleben, mit welcher Vehemenz auf den Fachkräftemangel hingewiesen wird. Aus rassistischen Gründen wollen wir diese Eingewanderten dann aber doch nicht.

via web.de: Antiziganismus-Beauftragter: “Täglicher Rassismus gegen Sinti und Roma”