Fünf Jahre nach den Ausschreitungen von Chemnitz warten Angegriffene auf den Prozessbeginn. Die Hälfte der Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Linke Demonstration in Chemnitz am fünften Jahrestag der schweren Ausschreitungen Der offene Schulterschluss zwischen Mandats- und Anzugträgern der AfD, Neonazischlägertrupps und Ras­sis­t:in­nen aller Altersgruppen und Milieus, der vor genau fünf Jahren auf den Straßen von Chemnitz sichtbar wurde, hätte ein Weckruf sein müssen. Es hätte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden müssen zur fünfjährigen Amtszeit des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, und den verlorenen Jahren im Kampf gegen neonazistischen Terror. Es hätte verbesserten Schutz der rechtsstaatlichen Institutionen geben müssen vor Rassisten und AfD-Funktionären in den eigenen Reihen. Es hätte endlich ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rassistischer Gewalt ohne festen Aufenthaltsstatus verankert werden müssen, auch um ein Zeichen gegen die Tä­te­r:in­nen zu setzen. Und es hätte eine konsequente Strafverfolgung geben müssen. Zur Erinnerung: Ende August, Anfang September 2018 verwandelten Hunderte Neonazis, darunter auch der spätere Mörder von Walter Lübcke sowie Mitglieder der Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“, die Stadt in eine Gefahrenzone für alle, die den Feindbildern der extremen Rechten entsprechen. Zu den ersten bekannten Opfern gehörten mehrere Jugendliche of Colour: ein 18-jähriger Syrer, ein gleichaltriger Afghane und dessen 15-jährige Freundin. Handyaufnahmen zeigen, wie eine Gruppe von neonazistischen Hooligans die beiden Männer und die Frau umstürmen, sie als „Kanaken“ und „Fotzen“ beschimpfen und auf sie einschlagen. Die Aufnahmen führten zu einem bundespolitischen Beben und schließlich zum erzwungenen Rücktritt von Maaßen. Am 7. September 2018 behauptete Maaßen gegenüber der Bild-Zeitung, es lägen „keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden“ hätten. Kretschmer und Maaßen dementierten Bei den Videoaufnahmen des Angriffs auf die beiden Afghanen handele es sich um „eine gezielte Falschinformation“. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sekundierte in einer Regierungserklärung: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab keinen Pogrom in dieser Stadt.“ Diese offensichtlich politisch motivierten Beschönigungen blieben nicht folgenlos. Knapp zwölf Monate später ermordet der Neonazi Stephan Ernst den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

via taz: Rechte und rassistische Gewalt :Die Lektion nicht gelernt