Die 75-Jährige mutmaßliche Vordenkerin einer Gruppe „Reichsbürger“ breitet vor Gericht ihre Verschwörungsideologie aus und weist Anschuldigungen wegen des geplanten Regierungsumsturzes zurück. Irgendwann vergleicht sich die Angeklagte, kleiner hat sie es nicht, mit Martin Luther. „Was Luther im Kirchenraum widerfuhr, wiederholt sich hier im Gerichtsraum“, sagt Elisabeth R. Und meint: Verleumdung, Rufmord, Inquisition. Immer wieder zitiert die habilitierte Theologin den Reformator, stolz teilt die radikale Protestantin mit ihm ihre zwei größten Feindbilder: Juden und das Papsttum. Die 75-Jährige war früher einmal Religionslehrerin in Mainz, hat angehende Lehrkräfte ausgebildet, war für ihre Bildungsforschung durchaus anerkannt. Jetzt steht sie in Koblenz vor dem Oberlandesgericht und muss sich zusammen mit vier Männern wegen Hochverrats und Terrorismus verantworten: Sie soll politische Vordenkerin und treibende Kraft einer Gruppe rechter „Reichsbürger“ gewesen sein, die die Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 wieder in Kraft setzen wollten – und die dafür unter anderem Sprengstoffanschläge auf die Strominfrastruktur des Landes sowie eine Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Dankbarkeit soll soll sie kriegen, keine Strafe Elisabeth R. doziert. Und doziert. Und doziert. Seit nunmehr fünf Verhandlungstagen macht die mutmaßliche Chefideologin der „Vereinten Patrioten“ den Sitzungssaal zu ihrem persönlichen Vorlesungssaal. Wie zuvor schon den Mitangeklagten Sven B. aus Brandenburg, der tagelang sein Weltbild ausbreiten und die Umsturzpläne in größter Selbstzufriedenheit rechtfertigen durfte, lässt der Staatsschutzsenat auch Elisabeth R. völlig ungebremst reden. Eine rechte Verschwörungspredigerin als Herrin des Gerichtssaals. Absichtlich, behauptet die Angeklagte, habe sie sich festnehmen lassen. Um aufzudecken, was der großen Mehrheit der Deutschen nicht bewusst sei – wegen der „Gehirnwäsche nach 1945“, so sagt sie, wegen „Mindcontrol-Terrorisierung“ und „Hirninfiltration“. Seit 3000 Jahren seien die Deutschen, die für Elisabeth R. offensichtlich das Zentrum der Menschheitsgeschichte bilden, Opfer einer „jüdisch-jesuitischen Verschwörungspraxis“. Und einzig das Deutsche Reich von 1871 habe sich diesem Joch entzogen. Die Angeklagte bestreitet deshalb auch gar nicht, dass sie die Verfassung des Kaiserreichs „reaktivieren“ wollte. Dankbarkeit scheint sie dafür zu erwarten, keine Strafe. Der Bundesrepublik spricht sie in klassischer „Reichsbürger“-Denke die Legitimität ab. Kein Staat sei die Bundesrepublik, sondern ein „in den USA registriertes Unternehmen“, gar eine „Feindmacht Deutschlands“. Aber: Die Rückkehr zur Reichsverfassung habe sie friedlich bewerkstelligen wollen, beteuert Elisabeth R., ohne jedes Blutvergießen. Dass ihr die Bundesanwaltschaft vorwirft, mit den Mitangeklagten eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, weist sie als „strafrechtlich relevante Verleumdung“ zurück. Zwei der vier Männer habe sie kaum oder gar nicht gekannt und mit den anderen beiden eher wenig Kontakt gehabt. Sie soll allerdings unter anderem einen „Haftbefehl“ für Karl Lauterbach entworfen haben. Dazu sagt Elisabeth R., als sie sich jetzt erstmals etwas konkreter zu den Vorwürfen äußert, nichts. Getragen spricht die Angeklagte, fremdwortgespickt, hochmütig und mit dem großen Gestus der Bedeutsamkeit. Angeklagte spricht von sich in der dritten Person Ihre Verschwörungsideologie hat sie seit 2016 in fünf Büchern ausbuchstabiert, so offensiv, dass ihr deshalb sogar die Pension gestrichen werden konnte. Das beklagt die Frau, die von sich selbst ausschließlich in der dritten Person spricht, ein ums andere Mal. Auch vor Gericht will sie ihre Weltsicht als das Ergebnis rein wissenschaftlicher Forschung verkaufen, theologisch, linguistisch, neurobiologisch, quantenphysikalisch. Doch wenig überraschend ist es: hanebüchener Humbug. Und triefend vor Antisemitismus.

via fr: „Reichsbürger“-Prozess: Ungebremster Antisemitismus