Die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland speisen sich aus einem Gefühl der Entwertung, glaubt der Soziologe Klaus Dörre, dazu komme noch die Wut über niedrige Löhne. Die Gewerkschaften könnten die Menschen aber noch erreichen, hofft er. Nach Ansicht des Jenaer Soziologen Klaus Dörre profitiert die AfD in den ostdeutschen Bundesländern von einer gefühlten Entwertung vieler Menschen. „Hier fühlen sich viele gleich dreifach abgewertet und missachtet: als Arbeiter, als Ossi, inzwischen auch als Mann“, sagte Dörre dem „Spiegel“. Die AfD bediene dabei das Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung. „Rechtsradikale werten sie auf, als Deutsche und Patrioten, als Angehörige einer Volksgemeinschaft, nicht einer Klasse.“ Dabei definierten sie die soziale Frage um – „nicht mehr als Konflikt zwischen Unten und Oben, Arbeit und Kapital – sondern zwischen Innen und Außen: Die Eindringlinge – Geflüchtete und andere Migranten – beanspruchen laut dieser Erzählung unser Volksvermögen, die müssen raus“, erläuterte der Experte. Gleichzeitig sei die gefühlte wirtschaftliche Bedrohung durch die lokale Wirtschaftsstruktur bedingt, die in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt noch „kleinteilig und teilweise altindustriell“ sei, so Dörre. „Da sitzen neben den großen Automobilwerken viele ihrer Zulieferer, energieintensive Kunststoffverarbeiter oder die Glasindustrie, in der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier die Braunkohle. Deren Bedrohung ist real, durch die rasant gestiegenen Energiepreise, durch den forcierten Umbau zur Klimaneutralität. Wenn Sie da das Wort Transformation in den Mund nehmen, bekommen die Leute das Frösteln. Die haben wir seit 1989 andauernd, sagen die.“ „Die Erfahrung der Lohnungleichheit ist ein starkes Motiv“ Auf den Einwand des Interviewers hin, dass es beispielsweise in Thüringen niedrige Arbeitslosenquoten gäbe, verweist der Soziologe in dem „Spiegel“-Interview auf die Ungleichheit bei den Löhnen: „In Sonneberg (dort wurde jüngst ein AfD-Landrat gewählt, d. Red) etwa bekommen 44 Prozent der Beschäftigten nur den Mindestlohn, so viel wie sonst nirgendwo in Deutschland. In der Thüringer Zulieferbranche liegt das Lohnniveau noch immer 33 Prozent unter dem bundesweiten Schnitt. Die Erfahrung der Lohnungleichheit ist ein starkes Motiv für rechtspopulistische Haltungen.“
via welt: „Gleich dreifach missachtet: als Arbeiter, als Ossi, inzwischen auch als Mann“